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Reimann: „Kinder und Alleinerziehende nach wie vor übermäßig stark von Armut bedroht“

HANNOVER/HILDESHEIM. Mit dem Bericht 2018 erscheint der Statistikteil der vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung herausgegebenen Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN) zum neunten Mal. Erstellt wurde er im Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN).

Die HSBN liefert wichtige Regionaldaten und Analysen für  Politik, Verwaltung und Verbände zur Bekämpfung der Armut. Den regional und kommunal Handelnden wird verlässliches Vergleichsmaterial für ihre Region an die Hand gegeben. Im Mittelpunkt steht die Berichterstattung über die Entwicklung der Armut in Niedersachsen. Dabei bedeutet Armut mehr als nur Einkommensarmut oder -ungleichverteilung, sondern auch die mangelnde Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Zwar sind immer mehr Menschen in Arbeit und die Arbeitslosenzahlen gehen seit Jahren zurück, jedoch nicht alle können davon gleichsam profitieren. Im Gegenteil: Die Armutsgefährdungsquote hatte, wie zuletzt vom LSN berichtet, 2016 mit 16,0% ihren Höchststand erreicht. Noch immer war trotz leichtem Rückgang etwa jeder zehnte Mensch in Niedersachsen von Mindestsicherungsleistungen abhängig. Familien bzw. Kinder und Jugendliche waren nach wie vor übermäßig stark von Armut bedroht, betont auch Dr. Carola Reimann, Niedersächsische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, in dem herausgegeben Bericht.

Die Zahlen zur Erwerbstätigkeit zeigen, dass im Jahr 2016 mit 22,3% ein nicht unbeachtlicher Teil der Beschäftigten in einem atypischen Arbeitsverhältnis stand, d.h. in Teilzeit bis unter 21 Stunden, geringfügig, befristet oder in einem Zeitarbeitsverhältnis beschäftigt war. Dies führte dazu, dass es auch unter den Erwerbstätigen viele armutsgefährdete Frauen und Männer gab (2016: 7,3%). Unter den atypisch Beschäftigten waren es 13,8%.

In Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung lässt sich feststellen, dass die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner zumindest kurzfristig zugenommen hat. Die Alterung der Gesellschaft und die damit verbundenen Herausforderungen hält dies jedoch nicht auf. Schon jetzt steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen deutlich an. Der größte Teil von ihnen wird von Familienangehörigen gepflegt.

Diese und viele weitere Ergebnisse aus den Themenbereichen Demografie, Lebensformen, Bildung und Qualifikation, Wirtschaft und Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit, Einkommen und Verdienste, relative und „bekämpfte“ Armut, besondere Lebenslagen, Gesundheit und Lebenserwartung, Kinder und Jugendliche sowie Bürgerengagement finden sich in der HSBN wieder.

Die HSBN betrachtet dabei, wenn es möglich ist, die regionalen Unterschiede auf Kreisebene. Im Flächenland Niedersachsen sind die Kreise vielfach sehr heterogen strukturiert. Mithilfe einer Clusteranalyse können sich die Kommunen mit denen vergleichen, die ähnliche Strukturdaten aufweisen.

Regionalisierung als Grundprinzip

Niedersachsen ist ein Land der Regionen, die zum Teil sehr unterschiedliche Strukturen und Entwicklungspfade aufweisen. Dies gilt auch für die Kreise, Städte und Gemeinden. Vor diesem Hintergrund legt die HSBN größtes Gewicht auf die Darstellung von regionalen Informationen für die kreisfreien Städte und Landkreise. Die Region Hannover sowie die Landkreise Göttingen und Hildesheim werden nicht nur als Ganzes, sondern zusätzlich differenziert nach Stadt und Umland ausgewiesen. So können die Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Strukturen besser herausgearbeitet werden.

Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Die Sozialhilfe soll als „letztes Auffangnetz“ vor Armut, sozialer Ausgrenzung und besonderer Belastung schützen. Sie soll den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Sozialhilfe erbringt gemäß dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch Leistungen für Personen, die ihren Bedarf nicht aus eigener Kraft (insbesondere durch Einkommen und Vermögen) decken können und auch keine ausreichenden Ansprüche aus vorgelagerten Versicherungs- und Versorgungssystemen haben. Im Rahmen des SGB XII „Sozialhilfe“ werden vor allem Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII: Hilfe zum Lebensunterhalt und dem 4. Kapitel SGB XII: Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erteilt.

Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) erhielten in Niedersachsen Ende 2016 insgesamt 41 400 Personen bzw. 52 von 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern (nach Sitz des Trägers). Gegenüber dem Vorjahr ging die Zahl der Leistungsbeziehenden um rund 800 Personen bzw. 1,9% zurück. Bei den Männern stieg sie leicht um 0,5 % auf 22 731, bei den Frauen sank sie deutlich um 4,6 % auf 18 669, so dass sich der Männeranteil auf 54,9 % vergrößerte. Gut zwei Drittel der Leistungsbeziehenden (28 954) lebten innerhalb einer Einrichtung, zum Beispiel in einem Wohn- oder Pflegeheim. Der leichte Rückgang der Gesamtzahl ist maßgeblich auf rückläufige Zahlen bei den über 50 Jährigen zurückzuführen. Bei den Minderjährigen hingegen stieg die Zahl gegenüber 2015 um 10,3 % auf 4 347, ihr Anteil ist jedoch weiterhin eher gering.

Regional reichte die Spanne von Quoten mit weniger als 30 Leistungsbeziehenden je 10 000 Einwohnerinnen und Einwohnern in den Landkreisen Vechta (26) und Cloppenburg (28) bis hin zu Werten von Quoten nahe 100 und mehr in Wilhelmshaven (98), Wittmund (99) sowie im Landkreis Uelzen (111). Ein klares räumliches Muster ist nicht zu erkennen.

Auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung waren in Niedersachsen am 31.12.2016 insgesamt 106 028 Menschen angewiesen. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden schon allein aufgrund des demographischen Effekts der Alterung der Bevölkerung immer wichtiger. Besonders gilt dies für Frauen, da diese oftmals zu geringe eigene Rentenansprüche besitzen. Bemerkenswert ist daher der Rückgang der Zahl der Empfängerinnen und Empfänger gegenüber dem Vorjahr um 1,1 % nach kontinuierlichem Anstieg in den vergangenen Jahren. Als Grund hierfür können die Rentenerhöhung und die Wohngeldreform Mitte 2016 genannt werden. Nach Sitz des Trägers gab es 107 814 Beziehende: 54 678 Frauen und 53 136 Männer, von denen zusammen weniger als die Hälfte über der Regelaltersgrenze lagen (47,9 %).

Kinder in SGB II-Bedarfsgemeinschaften

In Niedersachsen lebte im Juni 2016 etwa jedes siebte Kind (14,0 %), im Alter von unter 15 Jahren als regelleistungsberechtigtes Mitglied in einer SGB II-Bedarfsgemeinschaft. Gegenüber dem Vorjahresmonat verringerte sich die Gesamtzahl geringfügig (-349) auf 149 092 Kinder. Der Anteil an allen Kindern in dieser Altersgruppe ging leicht um 0,2 Prozentpunkte zurück. Von den unter 3-Jährigen waren 31 805 und von den 3- bis unter 6-Jährigen 30 781 Kinder betroffen. Die altersspezifischen Quoten betrugen 15,5 % bzw. 15,3 %. In der Altersgruppe von 6 bis unter 15 Jahren waren 86 506 Kinder auf SGB II-Leistungen angewiesen, was einer Quote von 13,2 % entsprach. Je älter die Kinder sind, desto niedriger fällt demnach die Quote aus, wohl auch, weil die Eltern durch den abnehmenden Betreuungsaufwand bei älteren Kindern eher oder in größerem Umfang erwerbstätig sein können. Dasselbe Muster war deutschlandweit festzustellen – ein Hinweis darauf, wie wichtig die Bereitstellung von KiTa-Plätzen gerade auch für Kleinkinder ist. Den deutlichsten Rückgang der Quote von einem halben Prozentpunkt gegenüber 2015 verzeichneten die Kinder im Krippenalter. Im Ländervergleich variieren die SGB II-Quoten der Kinder, die sog. Kinderarmutsquoten, zwischen 6,6 % in Bayern und je 30,3 % in Bremen und Berlin (Deutschland: 14,2 %).

Die regionale Struktur der SGB II-Kinderquoten in Niedersachsen entspricht im Wesentlichen der Struktur der Mindestsicherungsquoten: Sehr niedrige Quoten im Vergleich zum Durchschnitt gab es hauptsächlich in den Kreisen im Westen Niedersachsens, in der Statistischen Region Weser-Ems mit dem Landkreis Emsland als niedrigstem Wert von 6,4 %. Auch in den Landkreisen zwischen Hamburg und Bremen in der Statistischen Region Lüneburg waren die Anteile der regelleistungsberechtigten Kinder deutlich unterdurchschnittlich. Dagegen wiesen die meisten Großstädte und kreisfreien Städte Mitte 2016 eine sehr hohe Kinderarmutsquote auf, so vor allem Wilhelmshaven und Delmenhorst mit je 28,7 %. Die Quoten waren hier also mehr als doppelt so hoch wie im Niedersachsendurchschnitt.

Wolfsburg war die einzige kreisfreie Stadt mit einer unterdurchschnittlichen Quote. Insbesondere in den Kreisen in der Statistischen Region Hannover gab es Quoten, die deutlich über dem Durchschnitt lagen, abgesehen vom Landkreis Diepholz sowie dem Umland von Hildesheim.

Zählt man die rund 16 000 Kinder hinzu, die sonstige Leistungen (z.B. Bildung und Teilhabe) oder keine SGB II-Leistungen erhalten (aufgrund Bedarf deckenden, eigenen Einkommens), lebten 165 210 Kinder unter 15 Jahren und damit 15,5 % in einer SGB II-Bedarfsgemeinschaft.

PR
Quelle: Handlungsorientierte Sozialberichterstattung Niedersachsen, Statistikteil Bericht 2018
https://www.ms.niedersachsen.de/download/132365/HSBN_2018.pdf

Foto: Tom Figiel
Grafiken: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Statistik-Service Nordost

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