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HAWK-Tagung zu 20 Jahre Hornemann Institut: Schäden oder Frieren? „Klimazone Kirche“ im Spannungsfeld der Bedürfnisse

HILDESHEIM. „Akuter Schimmelbefall auf den zwei Gemälden und in der Kirche“, so lautet das Untersuchungsergebnis von den HAWK-Studentinnen Jennifer Oster und Marlies Dreesen, für die Braunschweiger St. Katharinenkirche. Hier besteht Handlungsbedarf. Schimmel und allgemein schädliches Raumklima für Orgel und Kunstschätze in Kirchen sind kein Einzelfall. Das Raumklima in den sakralen Gebäuden steht immer im Spannungsfeld zwischen Gottesdienstbesucher/inne/n, die es behaglich warm haben möchten, und der Erhaltung der hölzernen Ausstattung, denen extreme Temperaturschwankungen und hohe Temperaturen schlecht bekommen, und demjenigen, der die Beheizung der großen sakralen Gebäude bezahlen muss.

Die 210 Plätze der interdisziplinären Tagung „Klimazone Kirche“ des Hornemann Institutes und der Fakultät Bauen und Erhalten der HAWK waren auf Grund der Aktualität des Themas schnell ausgebucht von einem Fachpublikum aus Mitarbeitenden in Kirchenbauämtern und bei der Denkmalpflege, der Architekten, des Bauingenieurwesens, Restaurator/inne/n und Kunsthistoriker/inne/n, sowie HAWK-Studierenden und Mitarbeitenden.

Die Masterstudentinnen Jennifer Oster und Marlies Dreessen untersuchten für ihre Bachelorarbeit im Bereich der Konservierungs- und Restaurierungsstudiengänge an der HAWK den Schimmelbefall von zwei Gemälden auf der Empore der St. Katharinenkirche in Braunschweig. Für die Ursachenforschung des Schimmels an den Pastorengemälden aus dem 19. Jahrhundert sammelten die beiden Studentinnen Klimadaten der Kirche und untersuchten die Auswirkungen der Heizanlage und der großen Maßwerkfenster des sakralen Gebäudes auf die textilen Bildträger. Mit Hilfe einer Nebelmaschine wiesen sie nach, dass die warme Heizungsluft immer gen seitlicher Empore zu den Gemälden anstieg, die an der kalten Außenwand standen. Durch die Lage in einem ehemaligen Sumpfgebiet leidet die Kirche im Allgemeinen unter schwierigen klimatischen Bedingungen. Für ihre Forschungen erhielten sie ihren Bachelorabschluss, gaben wertvolle Impulse in die Kirchengemeinde – eine neue Heizungsanlage und eine digital gesteuerte Lüftungsanlage wurden u.a. verbaut – und schufen ein würdiges Tagungsthema für die HAWK. Die Hochschule ist für dieses interdisziplinäre Thema zwischen Bauphysik und Restaurierung/ Konservierung ein idealer Austragungsort, arbeiten doch beide Fächer in einer Fakultät eng zusammen. Außerdem umfassen die HAWK-Restaurierungsstudiengänge ein in Deutschland außergewöhnliches Zusammenspiel von gleich zwei Holz-Restaurierungs-Studienrichtungen, nämlich „Gefasste Skulptur und Gemälde“ und „Möbel und Holzobjekte“, sowie der Mikrobiologie.

„Obwohl es so ein elementares Thema ist, gibt es aktuell noch kein Buch, das das aktuelle Wissen kompetent zusammenfasst“, sagt die Gründungsdirektorin des Hornemann Instituts, Dr. Angela Weyer. Die Tagung ist jetzt der Auftakt mit einer vollständigen Video-Datensicherung der Vorträge und einem geplanten Tagungsband. „Gerade hier sieht das Hornemann Institut seine Stärken: vorhandene Forschungslücken zu finden und zu schließen“, so Weyer.

„Das Wichtige am Hornemann Institut für die HAWK ist, dass es die Keimzelle der Zusammenarbeit mit der Region, der Stadt, dem Landkreis und der Universität war und ist und somit gut zum allgemeinen Profil unserer Hochschule passt“, lobte HAWK-Präsident Dr. Marc Hudy den unermüdlichen Einsatz von Dr. Angela Weyer bei seinem Grußwort in der St. Michaelis-Kirche, wo der 20. Geburtstag des Instituts gefeiert wurde. „In den 90er Jahren war es noch nicht üblich, ein so interdisziplinäres Institut zu gründen mit einem starken Online-Fokus“, betonte Hudy.

In der vollbesetzten Kirche folgte der Festvortrag „Die romanische Bilderdecke der Hildesheimer Michaeliskirche. Denkmalpflege eines UNESCO-Welterbes“ von Christoph Fiebiger, Christina Achhammer und Elke Behrens vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege unter dem Label des Hornemann Kollegs.

Aber was hat sich verändert in der „Klimazone Kirche“? Früher folgte das Innenklima einer Kirche langsam dem Außenklima, dies bewahrte die Kunstschätze und das Interieur vor Schäden, eine künstliche Beheizung gab es nicht. Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre stand die Beheizung im Vordergrund, dann kam die Ölkrise und in der Folge wurden auch massive Schäden an der hölzernen Ausstattung deutlich. Es wurde weniger und nur noch temporär beheizt, also schnelle und kurze Aufheizzeiten, die wiederum zu starken Schäden führten – denn Anfang der 90er Jahre stand die Behaglichkeit der Gottesdienstbesuchenden im Vordergrund. Durch eine warme Kirche sollten wieder mehr Besucherinnen und Besucher angezogen werden. „Große Gebäude zu heizen, erfordert eine Menge Energie, dies erfolgte am einfachsten über die Warmluftsysteme. Durch die ansteigende Temperatur, reduzieren sich die relativen Luftfeuchtigkeiten“, so HAWK-Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Leimer. „Eigentlich war es unsere Behaglichkeit, die uns zu den Schäden geführt hat. Die Exponate, die Ausstattungen und die Fassungen reagieren negativ auf eine geringe relative Luftfeuchte, damit waren große Zerstörungen verbunden.“
Eine Kirche ohne Heizung ist heute kaum denkbar. „Das ist auch gar nicht notwendig“, so Leimer. „Wir müssen die Temperaturen nicht nur in einem sehr schmalen Punktbereich zulassen, sondern können Bandbreiten erlauben.“ Das Monitoring sei inzwischen billiger geworden zur Erfassung der Temperaturen und Luftfeuchtigkeit. „Wir wissen heute sehr viel über Materialien und Zusammenhänge, eine gute Klimalage in der Kirche hängt aber auch oft an der Finanzlage der einzelnen Gemeinde.“ Eine Patentlösung für alle sakralen Bauten gibt es nicht. „Es ist schon interessant zu sehen, dass das Problem vielschichtiger ist, als einfach nur: Wir heizen auf eine bestimmte Temperatur oder wir nehmen eine Lüftung dazu. Man muss es am einzelnen Objekt betrachten und dann aber mit allen Faktoren, die dazu gehören, auch dem Faktor Mensch, dem Faktor Technik – und was habe ich im Bestand zu betrachten, um zu einer Gesamtlösung zu kommen“, erzählt Knut Prange, Leitung Bauabteilung Evangelische-Landeskirche Schaumburg-Lippe, von den ersten neuen Erkenntnissen von der Tagung.

„Ich berate Kirchengemeinden im Bereich Göttingen und Hildesheim zum Thema Bauen, da gehört auch das Heizen der Bauten dazu, insbesondere auch das Raumklima in Bezug auf Behaglichkeit und Nutzbarkeit der Kirche, aber auch, dass bestimmte Raumausstattungen erhalten bleiben und nicht darunter leiden, dass geheizt oder zu wenig geheizt wird. Ich möchte mich über den neuesten Forschungsstand informieren und sehen, wo Verbesserungen möglich sind“, so Teilnehmerin Katharina Körner, Leiterin des Amtes für Bau- und Kunstpflege Göttingen der Landeskirche Hannovers.
Jochen Jarzombek erhofft sich neue Antworten aus Hildesheim für „seinen“ Dom St.Stephan in Passau. Der Diözesanbaumeister steht kurz vor einer Sanierung. „Wir haben mit den symptomatischen Mängeln zu tun wie Feuchte im Mauerwerk und Schimmel an der Ausstattung, neben der Nutzung durch Besuchende und Konzerte.“ Mit neuem Knowhow und Ansätzen kehrt er in den Süden zurück.

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