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Neuer Wein und alte Schläuche

Landkreis HILDESHEIM. Simsalabim. Mit nur wenigen Handgriffen lässt Dietrich Waltemate den Gemeinderaum in der Nettlinger Kirche verschwinden. Er schiebt im Nu die schwenkbaren Fenster- und Türelemente beiseite und schon sieht die Kirche wieder wie ein ganz normales Gotteshaus aus. Es ist natürlich keine Zauberei, sondern ein gelungenes Beispiel dafür, wie die Kirche ihren Gebäudebestand modernisieren kann. Eine Aufgabe, die über kurz oder lang auf viele Gemeinden zukommen dürfte. Deshalb hatte Superintendent Christian Castel Pastoren, Diakone und Kirchenmitarbeiter aus dem Amtsbereich Elze unter dem Motto „Neuer Wein und alte Schläuche“ nach Nettlingen eingeladen.

In Nettlingen zeigt Dietrich Waltemate (zweiter von links), wie die 1970 abgebrannte Kirche völlig neu gestaltet wurde.

Dass dort etwas passieren musste, war dem Kirchenvorstand von Anfang an klar. Denn ein verheerendes Feuer hatte das Gebäude 1970 bis auf die Grundmauern abbrennen lassen, nur der Altarraum blieb vor den Flammen verschont. Nettlingen hatte Glück im Unglück, bekam durch einen Neubau die Chance, die Kirche völlig neu zu gestalten. Zwar waren die modernen Wandgemälde der Künstlerin Sybille Springer im Gegensatz zu den 1000 Jahre alten Fresken auf der gegenüberliegenden Seite zunächst nicht jedermanns Geschmack. Aber mit den übrigen Neuerungen konnte sich die Gemeinde sehr schnell anfreunden. Neue Orgel, neue Empore, eine Küche mit Toiletten im alten Turmbau und eben jenen Gemeinderaum, der für Versammlungen oder eine kleine Feier nach der Taufe genutzt werden kann. Finanziert wurde der Umbau durch den Erlös aus dem Verkauf des Pfarrhauses sowie durch Zuschüsse des Kirchenkreises und der Landeskirche.

Dass aus Hannover überhaupt Mittel fließen, ist nach den Worten von Superintendent Christian Castel zwingend an die Aufgabe alter Bausubstanz gebunden. Auch im Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld müsste in nicht allzu ferner Zukunft entschieden werden, welche Gebäude angesichts des demografischen Wandels aus der Zuweisung genommen werden: „Das wird ein Thema in den nächsten zehn Jahren. Ein Pfarramt, sieben Kirchengebäude und 1400 Gemeindeglieder. Das wird auf Dauer nicht mehr gehen“, sagte Castel.

Doch es gibt mutmachende Lösungen. Nicht nur in der St. Marienkirche in Nettlingen, sondern auch im nur wenige Kilometer entfernten Kemme. Dort war die Stimmung im Dorf zunächst aufgeheizt, als 2013 die ersten Pläne zum Verkauf des maroden Pfarrhauses und der benachbarten Jugendscheune bekannt wurden. Da der Gebäudekomplex aus kirchlichen Mitteln nicht zu erhalten war, entschloss sich die Gemeinde zum Verkauf, zumal der Pfarrsitz nicht in Kemme sondern in Schellerten ist. Käufer war nicht irgendjemand, sondern eine Familie, die sich stark in der Gemeindearbeit engagiert: „Ein Glücksgriff. Das beruhigte die Gemeinde“, sagte Pastorin Meike Magnussen. Damit war der Weg frei für ein neues Gemeindehaus auf dem Gelände des alten Friedhofs gleich neben der Kirche. Finanziert wurde der Bau aus dem Erlös des Grundstücksverkaufs sowie mit Mitteln der Landeskirche, des Kirchenkreises und der politischen Gemeinde Schellerten, die sich durch ihre finanzielle Beteiligung ein 25-jähriges Mitnutzungsrecht sicherte.

Seit der Einweihung im April 2017 dient der lichte Bau mit Blick ins Grüne als Versammlungsort und Winterkirche. „Das Gemeindehaus erfährt eine immer stärkere Akzeptanz“, hat Pastorin Magnussen beobachtet.

In Nettlingen und Kemme hat die Neuausrichtung also offensichtlich geklappt. Wie aber sieht es im übrigen Kirchenkreis aus? Ob und wo ein nächster Gebäudeverkauf ansteht, kann Superintendent Castel heute noch nicht sagen, zumal die Entscheidung darüber bei den Gemeinden und nicht beim Kirchenkreis liegt. Aber eines ist für ihn klar: „Der komplette Erhalt aller Kirchengebäude wird kaum möglich sein.“

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