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Sakralmöbel unter dem Scanner

HILDESHEIM. Wie Flachschnitte an spätgotischem Kircheninventar effizienter und detailgetreuer dokumentiert werden können, untersuchten Studierende der HAWK auf einer zwölftägigen Exkursion durch Siebenbürgen. Zum 18. Mal reiste eine Forschungsgruppe der Studienrichtung Möbel und Holzobjekte im Studiengang Konservierung und Restaurierung nach Rumänien. Diesmal mit innovativen Laser- und Fototechnologien im Gepäck – und mit der fachlichen Unterstützung von Studierenden der Universität Lucian Blaga im rumänischen Hermannstadt. Die jährlich im Herbst stattfindende Studienreise wurde im November erstmals mit interkulturellem Schwerpunkt ausgerichtet.

Gebündeltes Know-how

„Die Begegnung mit den rumänischen Studierenden soll fester Bestandteil unserer Exkursionen werden“, sagt Dr. Ralf Buchholz von der Fakultät Bauen und Erhalten. „Die Restauratoren-Szene ist klein und jeder Austausch ein Gewinn.“ Für die gemeinsame Arbeit vor Ort soll zeitnah eine Werkstatt eingerichtet werden.
„Siebenbürgen ist für die Möbelrestaurierung besonders interessant“, erklärt Exkursionsleiter Buchholz. „Es ist eine wahre Fundgrube für spätgotische Flachschnitte und Intarsien.“ Das liege daran, dass in der Region um 1500 der Weinanbau und -handel florierte. So konnte in die Kirchengestaltung investiert werden. Ein rund 500 Jahre altes Chorgestühl aus Tobsdorf, das dem Tischlermeister Johannes Reychmut zugeschrieben wird, war der bislang größte Schatz, den Studierende der HAWK in Rumänien bargen. Nach aufwändigen Untersuchungen in den hochschuleigenen Werkstätten wurde das Chorgestühl 2018 in die Margarethenkirche in Mediasch überführt. „Wir hatten darauf gehofft, in diesem Jahr einen ähnlichen Fund zu machen“, erzählt Buchholz. „Leider war uns ein vollständiges Sakralmöbel nicht vergönnt.“ Dafür stieß man auf Fragmente verschiedener Chorgestühle, die ebenfalls von Reychmut stammen könnten – in Schäßburg, wo der Tischlermeister im 16. Jahrhundert seine Werkstatt hatte, sowie in den benachbarten Orten Mediasch, Malmkrog und Bogeschdorf.

Zwei Methoden der digitalen Datenerfassung

Wo die Studierenden im Vorjahr noch zu Papier und Stift griffen, um die Verzierungen abzupausen, kamen nun Handscanner und Kamera zum Einsatz. Eine Möglichkeit, die Flachschnitte vor Ort zu digitalisieren, bietet der 3D-Laser-Scanner. Das Gerät wurde der Exkursionsgruppe von der Fakultät Gestaltung gestellt. „Die Zollbeamten waren etwas irritiert, als sie das Teil in unserem Gepäck entdeckten“, erinnert sich die Masterstudentin Kaja Schönfelder und lacht.
Der wie eine Laser-Pistole anmutende Scanner basiert auf einem Triangulationsprinzip: drei rückstrahlende Positionierungspunkte, die auf das zu scannende Objekt geklebt werden, stecken den Bereich ab, der anschließend von zwei seitlichen Kameras erfasst wird. Je Scanvorgang kann ein Ausschnitt von 40 Zentimetern eingelesen werden. Alle Daten werden in Echtzeit auf den Laptop übertragen und später zusammengefügt. Neben den neuen Sakralmöbel-Fragmenten wurde auch das inzwischen legendäre Reychmut-Chorgestühl aus Tobsdorf erneut digitalisiert, um später die Methode des Abpausens mit der neuen Laser-Strategie zu vergleichen. Rund eineinhalb Tage dauerte das digitale Einlesen der Flachschnitte am Gestühl.

„Eine zeitökonomischere Methode ist die Fotogrammetrie“, so die Beobachtung von Kaja Schönfelder. Hierbei wird das Untersuchungsobjekt ausschnittweise und aus verschiedenen Perspektiven fotografiert. „Dafür braucht es eine ruhige Hand und einen ruhigen Hintergrund“, erklärt die Masterstudentin. Und Körpereinsatz: Für den richtigen Blickwinkel gehört das Klettern auf Leitern und das Krabbeln über kalten Kirchenboden dazu. Dafür konnten die Daten bereits in acht Stunden erfasst werden. Mit insgesamt 1000 Bildern kehrten die Studierenden zurück an die HAWK.

Für die Datenauswertung ist Christine Fiedler (M.A.) zuständig, die bereits im Rahmen ihrer Master-Thesis ein Verfahren entwickelte, mit dem fehlende Intarsien an Chorgestühlen digital ergänzt und auf Furnier ausgedruckt werden können. „Auch in der Aufbereitung erwies sich die Laser-Methode als zeitaufwändiger“, sagt sie. Die Scans müssen manuell zusammengesetzt werden, während die 2D-Fotodaten automatisiert durch ein Computerprogramm zu einem 3D-Modell ergänzt werden. Die Laser-Methode stellte sich zudem bei schwarzhinterlegten Stellen im Holz als problematisch dar. „Die konnte der Scanner nicht erfassen, sodass es Lücken in der Übertragung gab“, berichtet Fiedler. Bei der nächsten Exkursion im Herbst möchte sie einen Streiflicht-Scanner ausprobieren. Dieser habe einen flacheren Aufnahmewinkel und könne auch dunkel gefärbte Stellen erfassen.

Insgesamt ist die Forschungsgruppe zufrieden mit den Ergebnissen. „Die digitalen Daten ermöglichen eine bessere Lesbarkeit und Vergleichbarkeit der kleinteiligen Blattrankenmuster“, Dr. Ralf Buchholz. Langfristig sei eine umfassende Datenbank geplant, die eine schnelle Zuordnung der Flachschnitte zu einem bestimmten Stil oder Künstler ermöglicht. „Ein wiederkehrendes Motiv bei Reychmut etwa ist der Drache in Rankenoptik“, sagt Buchholz. Auch in diesem Jahr sei einer entdeckt worden – ob er von Reychmut stammt, bleibt zu überprüfen. „Die Datenauswertung wird noch ein gutes Vierteljahr in Anspruch nehmen“, schätzt Buchholz.

Laura Franz
Fotos: Laura Franz

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