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„Ich bin mit Euch alle Tage“ – Predigt von Bischof Dr. Heiner Wilmer

Liebe Mitfeiernde,

Nichts ist mehr so wie es noch vor ein paar Wochen war! Ein Symbol dafür ist für mich das Bild vom Freitag-Abend des 27. März: Papst Franziskus – fast allein – mitten auf dem leeren Petersplatz. Es regnet. Es wird dunkel!

Er sagt: „Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt; sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäubenden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehen lähmt: Es liegt in der Luft, man bemerkt es an den Gesten, die Blicke sagen es. Wir sind verängstigt und fühlen uns verloren.“

Eine völlig unwirkliche Atmosphäre! Da, wo sonst Zehntausende zusammenkommen und feiern, steht er allein und fragt – mit den Worten Jesu: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40). Und weiter: „Der Anfang des Glaubens ist das Wissen, dass wir erlösungsbedürftig sind.“

Die Sehnsucht nach Erlösung ist bei uns allen da – nach dem „exit“ aus diesem „shut down“!
Wir feiern heute Ostern – mitten in einer Passions-, einer Leidenszeit. Es ist allerdings auch eine Zeit, in der Menschen weltweit für andere da sind: Ärztinnen und Ärzte; Krankenschwestern und Pfleger; Menschen, die uns mit dem Notwendigen versorgen; Politikerinnen und Politiker; Seelsorgerinnen und Seelsorger.

Viele machen anderen Mut – das Internet ist voll davon: Orchester und Chöre, die in der Vereinzelung so miteinander musizieren, als würden sie zusammen auftreten; Menschen, die aus Fenstern und Balkonen fröhlich miteinander singen und klatschen; Plakate wie in Italien: Tutto andrà bene! Alles wird gut!

Das ist Ostern! Im Tief des Leidens gibt es Auferstehung!

„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen“ – schreit Jesus am Kreuz. Offensichtlich betet er den Psalm 22, in dem es weiter heißt: „Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, vom Mutterleib an bist du mein Gott.“ (Vers 11).

Jesus fühlt sich in der Verzweiflung des Sterbens geborgen in der Zuneigung des Vaters: „Vom Mutterleib an bist du mein Gott.“

Das tiefe Vertrauen in das große DU lässt Jesus das qualvolle Sterben durchstehen: „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30).

Und die Jüngerinnen und Jünger? Ihnen ist von heute auf morgen die Zukunft genommen. Wie kann es jetzt weiter gehen? Jesus ist tot, ihre Hoffnung ist begraben.

Sogar noch schlimmer: „Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben.“ (Joh 20,2). So blickt Maria von Magdala auf das leere Grab! Und für die Vertrauten Jesu ist das zunächst schlüssig – vernünftig – endgültig.

Doch dann: Maria von Magdala erkennt im vermeintlichen Gärtner ihren Jesus, der sie beim Namen ruft: „Maria!“ (Joh 20,16). Viele, die mit Jesus verbunden waren, erfahren nun den Jesus, der den Tod überwunden hat, den Auferstandenen – in geheimnisvollen persönlichen Begegnungen.
Dies wird in Geschichten erzählt, die trotz ihrer plastischen, zum Teil anschaulichen Schilderungen das Geheimnis der Begegnung wahren. Jesus kommt nicht als irdischer Mensch, sondern als einer, der den Tod endgültig überwunden hat und den Seinen aus der himmlischen Welt nahe bleibt.

In der Krise entdecken sie das Wesentliche – das, was bleibt: Eine neue Solidarität entsteht und die Gemeinschaft wächst; eine neue Form der Gemeinschaft, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben wird: Die zum Glauben Gekommenen sind „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4,32).
Gehen wir mit dem auferstandenen Jesus in eine solche Zukunft hinein, in der sich die Dinge neu ordnen und sich auf`s Wesentliche hin orientieren! Was ist wesentlich für unser Miteinander – lokal und global?

Papst Franziskus mahnt auf dem Petersplatz: Jetzt ist „die Zeit zu entscheiden, was wirklich zählt und was vergänglich ist, die Zeit, das Notwendige von dem zu unterscheiden, was nicht notwendig ist.“

Vertrauen wir gerade in diesen Tagen der Zusage des Auferstandenen auf dem Berg in Galiläa: „Ich bin mit Euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“ (Mt 28,20).

So können wir auch dann, wenn wir direkt von persönlichem Leid betroffen sind, die Krise durchstehen. Der große Schöpfer-Gott, der auch zu mir persönlich sein Ja gesprochen hat, ist mit mir, mit uns!

Auch wenn er die Schöpfung so konzipiert hat, dass alles im Werden und Vergehen seinen Lauf nimmt, endet es nicht im Abgrund, sondern fällt hinein in die große rätselhafte Liebe Gottes, die alles auffängt.

AMEN

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