Kurzfristig ist gestern Abend (8. November 2023) der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Hildesheim), im Heiligen Land eingetroffen. Bis zum Wochen ende will er dort mit Vertretern insbesondere der katholischen Kirche sowie weiterer christlicher Kirchen, von Judentum und Islam zusammenkommen. Eine besondere Bedeutung misst der Bischof der Begegnung mit dem Patriarchen der Lateinischen Kirche, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, zu. Politische Gespräche und Treffen mit Religionsvertretern sind in Jerusalem, Tel Aviv und Tabgha am See Genezareth vorgesehen.
Mit seiner Reise in das Heilige Land will Bischof Wilmer ein Zeichen setzen: „Mir geht es um Solida rität mit allen Menschen im Heiligen Land, mit Israelis und Palästinensern, mit Juden, Muslimen und Christen. Gedenken und Solidarität der Kirche in Deutschland gelten vor allem den Opfern. Den Opfern des menschenverachtenden Terroranschlags der Hamas. Den Geiseln, die verschleppt wur den, und den Angehörigen, die um sie bangen. Und ebenso der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die unter der militärischen Auseinandersetzung furchtbar leidet und den Verlust vieler Menschenle ben zu beklagen hat.“
Bischof Wilmer betont, dass er mit seinem Besuch alle Gutwilligen ermutigen wolle, an der Hoffnung eines friedlichen Zusammenlebens von Israelis und Palästinensern festzuhalten: „Wir stehen an der Seite der Menschen, die den Frieden wollen.“ Besondere Verantwortung sieht der Bischof bei den Religionen: „Ich hoffe, bei meinen anstehenden Gesprächen auch die Frage nach der Rolle und Verantwortung der Religionsgemeinschaften zur Überwindung der Gewalt sowie für einen nachhal
tigen Frieden in der Region stellen zu können. Und ich bin überzeugt, dass die kleine christliche Minderheit in Israel und Palästina schon bisher einen wichtigen Beitrag für das friedliche Miteinander geleistet hat und auch künftig eine wichtige Rolle spielen kann.“
Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax stellte nach seiner Ankunft in Tel Aviv klar, dass er sich nicht „als eine Art Politiker“ sieht. „Ich habe keine naseweisen Vorschläge zur Überwindung des jahrzehntelangen Konflikts im Gepäck. Aber ich bin überzeugt, dass eine gesi cherte Staatlichkeit Israels und eine gesicherte Staatlichkeit Palästinas die Grundlage eines künftigen Friedens sein müssen.“
Im Mittelpunkt des heutigen Tages steht für Bischof Wilmer das Gedenken an die Reichspogrom nacht vor 85 Jahren. In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem gedachte er der Opfer der Shoah und betete für die Opfer von Verfolgung und Antisemitismus. Am Rande des Gedenkens in Yad Vashem warnte Bischof Wilmer vor den vielfältigen Gesichtern des Antisemitismus dieser Tage. „Die Existenz des Staates Israel wird mit brutaler Gewalt infrage gestellt. Juden und Jüdinnen in aller Welt sehen sich Bedrohung und Diskriminierung ausgesetzt. Besonders schmerzt mich, dass dies auch in Deutschland der Fall ist. Erneut werden Juden und Jüdinnen zur Projektionsfläche für tiefliegende Probleme. Der dunklen Versuchung, ihnen die Schuld zu geben, für Dinge, die nicht in ihrer Verantwortung liegen, können allzu viele nicht widerstehen“, so Bischof Wilmer. Er forderte dazu auf, sich ehrlich zu machen und Lügen sowie falschen Zuschreibungen entgegenzutreten. „Zur notwendigen Ehrlichkeit, die heute von uns gefordert ist, gehört auch, sich daran zu erinnern, dass auch die Kirche allzu lange antijüdische Sichtweisen gefördert hat. Diese Erinnerung hilft uns, nicht nachzulassen in unserer praktischen Solidarität. Es liegt an uns, dem Antisemitismus entgegenzu
treten und die jüdischen Geschwister nicht alleinzulassen. Zuschauen – sei es auch aus eigener Angst, Uninformiertheit oder gleichgültigem Desinteresse – ist keine Option. Denn: Hass und Diskri minierung treffen die Humanität unserer Gesellschaft ins Mark.“
Hinweise: Die Reise von Bischof Wilmer wird durch die stellvertretende Pressesprecherin der Deutschen Bi schofskonferenz Daniela Elpers vor Ort begleitet. Die Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz stellt kostenfreies Bildmaterial in der Bilddatenbank bereit, das unter Angabe des Copyrights © Deutsche Bischofskonferenz/Daniela Elpers verfügbar ist. Die Foto-Auswahl wird während der Reise ständig erweitert. Interviews mit Bischof Wilmer sind während und unmittelbar nach der Reise möglich. Anfragen dazu richten Sie bitte an die E-Mail pressestelle@dbk.de. Von den weiteren Sta tionen der Reise berichtet die Deutsche Bischofskonferenz in ihren Social-Media-Angeboten. Weitere Informationen zur Situation im Nahen Osten und den Äußerungen der Deutschen Bischofskonferenz seit dem 7. Oktober 2023 finden Sie unter www.dbk.de auf der Themenseite Krieg im Heiligen Land.
Worte des Vorsitzenden der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, am 9. November 2023 in Yad Vashem
Der 9. November, der Gedenktag für die Reichspogromnacht 1938, ist kein Tag wie viele andere. Es ist ein Tag der Trauer, der Mahnung. Er ist zugleich ein Tag der Stille und des Nachdenkens, aber auch des klaren öffentlichen Auftretens gegen Antisemitismus.
In diesen Tagen zeigt der Antisemitismus vielfältige Gesichter. Die Existenz des Staates Israel wird mit brutaler Gewalt infrage gestellt. Juden und Jüdinnen in aller Welt sehen sich Bedrohung und Diskriminierung ausgesetzt. Besonders schmerzt mich, dass dies auch in Deutschland der Fall ist. Erneut werden Juden und Jüdinnen zur Projektionsfläche für tiefliegende Probleme. Der dunklen Versuchung, ihnen die Schuld zu geben, für Dinge, die nicht in ihrer Verantwortung liegen, können allzu viele nicht widerstehen. Mehr noch: Es wird übles Spiel getrieben. Machen wir uns daher ehrlich und treten den Lügen und falschen Zuschreibungen entgegen. Zur notwendigen Ehrlichkeit, die heute von uns gefordert ist, gehört auch, sich daran zu erinnern, dass auch die Kirche allzu lange antijüdische Sichtweisen gefördert hat. Diese Erinnerung hilft uns, nicht nachzulassen in unserer praktischen Solidarität.
Denn: Es liegt an uns, dem Antisemitismus entgegenzutreten und die jüdischen Geschwister nicht alleinzulassen. Zuschauen – sei es auch aus eigener Angst, Uninformiertheit oder gleichgültigem Desinteresse – ist keine Option. Denn: Hass und Diskriminierung treffen die Humanität unserer Ge sellschaft ins Mark. Es gehört zu den Lehren aus unserer Geschichte und zu den Grundlagen unseres Selbstverständnisses, dass alle Menschen Gottesebenbild sind und daher alle eine unzerstörbare Menschenwürde haben. Daher haben alle zu Unrecht Verfolgten und Bedrohten Anspruch auf unsere praktische Solidarität. Das Gleichnis des barmherzigen Samariters kann uns hier inspirieren, so wie Papst Franziskus es in Fratelli tutti getan hat. Aber es geht nicht nur darum, diejenigen zu versorgen, die unter die Räuber gefallen sind. Es geht auch darum, die Straße zwischen Jericho und Jerusalem sicher zu machen und den Räubern das Handwerk zu legen. Das sind wir den Opfern schuldig.
Ansprache des Vorsitzenden der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, am 9. November 2023 am Grab von Oskar Schindler
Jerusalem, 9. November 2023. Heute hat der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, einen Kranz am Grab von Oskar Schindler in Jerusalem niedergelegt.
Wir stehen hier am 9. November, dem Gedenktag der Reichspogromnacht 1938, am Grab von Oskar Schindler in Jerusalem. Oskar Schindler hatte ein bewegtes Leben voller Widersprüche. Voller Ver strickungen, Scheitern, Schuld, Versagen, aber auch voller Liebe und menschlicher Güte.
Durch eines ist sein Leben besonders in guter Erinnerung geblieben: Durch seine Bereitschaft unter Risiko für das eigene Leben während des Zweiten Weltkriegs Juden und Jüdinnen zu retten. Dies in einer Zeit, wo viel zu Wenige zu solchem Handeln bereit waren oder den Mut dazu fanden. Nicht von Ungefähr hat Yad Vashem ihn als Gerechten unter den Völkern geehrt.
Im Talmud heißt es: „Wer nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.“ Auch wenn diese Tat im Vergleich zu den Ausmaßen der Shoa klein erscheint. Sie ist bedeutsam! Und zwar nicht nur für die, deren Leben gerettet wurde. Denn dieses Zeichen der ungebrochenen Humanität steht sehr konkret dafür, dass Gewalt und Antisemitismus nicht das letzte Wort haben werden. Die Flamme der Mensch
lichkeit ist selbst unter den schlimmsten Bedingungen nicht gänzlich zu ersticken. Denn in ihr lodert das Feuer Gottes. Die Tat von Oskar Schindler hat mit dazu beigetragen, das Vertrauen in die Menschheit nicht zu verlieren und Brücken zwischen den Nachfahren der Verfolgten und den Nach fahren der Verfolger zu bauen. Wir haben Anlass dankbar zu sein.
Doch dieser Gedanke verkommt schnell zu einem falschen religiösen Trost, wenn er nicht von einer selbstkritischen Reflexion darüber begleitet wird, was wir den Opfern und den leidenden Menschen in diesen Tagen schuldig sind. Und so denken wir heute in Trauer an die vielen Menschen, die seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober in Israel getötet und verletzt wurden. Wir trauern auch um die unschuldige Zivilbevölkerung, die in Gaza getötet wurde. Die Menschen leiden auf beiden Seiten der Grenze.
Möge es Menschen geben, die helfen, ihre Wunden zu heilen und ihr Leben zu retten. Mögen wir zu solchen Menschen werden. Möge der Geist der Menschlichkeit dem Hass und seinen Verführungen entgegentreten.
In diesem Zusammenhang ist Oskar Schindler ein Leuchtturm der Hoffnung. Lasst uns beten: Gott, der Oskar Schindler in seiner Zeit ermutigt hat, ermutige uns in unserer Zeit. Heile die Wunden. Befreie die Gefangenen. Tröste die Bedrängten. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen.
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