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Was bedeutet der Green Deal für die grüne Branche Niedersachsens?

Über die Folgen der EU-Klimaschutz-Strategie zur Senkung des Treibhausgas-Ausstoßes haben hochkarätige Referentinnen und Referenten aus Wissenschaft und Landwirtschaft am Dienstag (07.11.2023) bei der Beraterhochschultagung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) im Hotel Hennies in Isernhagen (Region Hannover) diskutiert.

Die Anforderungen des europäischen Green Deals erfordern ökologische, betriebswirtschaftliche und technische Veränderungsprozesse und sind somit mit gewaltigen Herausforderungen für die Landwirtschaft verbunden. Zentrale Frage der gut besuchten Veranstaltung war: Was sind die neuen Herausforderungen und wie kann sich die Landwirtschaft auf diese einstellen?

„Sicher ist, dass sich die gesamte Branche entlang der Wertschöpfungskette mit dem Green Deal und seinen Auswirkungen beschäftigen muss. Ich freue mich daher, dass wir heute die Sichtweise der Wissenschaft auf diesen großen Themenkomplex erfahren – aber auch, was Praxis und Beratung dazu sagen“, stellte Hermann Hermeling, LWK-Vizepräsident, in seinem Grußwort fest.

Dr. Bernhard Brümmer, Professor des „Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung“ an der Universität Göttingen, fokussierte sich in seinem Vortrag auf eine Bilanz zum Green Deal. Dabei wurde deutlich, dass die Auswirkungen sehr vielfältig sind und nur ein Teil der Pläne bis heute umgesetzt wurde. Der Großteil der Anforderungen des Green Deals ist bisher nicht abschließend bearbeitet. „Vor dem Hintergrund der Europawahl ist die weitere Entwicklung des Green Deals unsicher“, so Brümmer. Mehrere Studien gehen von einer Verlagerung der Produktion in andere Länder aus, da durch die Maßnahmen des Green Deals ein deutlicher Rückgang der Produktion, insbesondere beim Getreide, erwartet wird. Somit wird die Treibhausgasemission ebenfalls verlagert. Brümmer sieht für die Landwirtschaft ungenutztes Potential in Freihandelsabkommen und riet der Politik, mehr darin zu investieren.

Einen Ausblick zur Umsetzung des Green Deals in den Niederlanden gaben Jojanneke Vanderveen und Janne Mulders, Mitarbeiterinnen des Niederländischen Ministeriums für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität. So stellten sie das Tierwohl-Vermarktungsprogramms „Beter Leven“ vor, in das das niederländische Ministerium sehr stark involviert ist und das alle Beteiligten der Wertschöpfungskette einbezieht. Für viele landwirtschaftliche Erzeugnisse ist der Selbstversorgungsgrad in den Niederlanden sehr groß. Um die Emissionen zu senken, wurde ein Ausstiegsprogramm aufgestellt. In diesem laufenden Programm können Landwirtinnen und Landwirte gegen eine finanzielle Entschädigung aus der Produktion aussteigen. „Auch in den Niederlanden ist der Weg der Agrarwenden aktuell ein holpriger“, so Vanderveen.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen konnten sich die Teilnehmenden zwischen den beiden Schwerpunkten „Indoor“ und „Outdoor“ entscheiden.

Indoor

Die Möglichkeit und Umsetzung der Diversifizierung auf ihrem Betrieb zeigte Kerstin Klünemann auf: Ihre Familie hat die Sauenhaltung aufgegeben und den Betrieb auf biologische Produktion von Chicorée umgestellt. Klünemann machte allen Betrieben Mut, neue Wege einzuschlagen. Vor der Umsetzung sei die Sicherung des Absatzes über Marktpartner allerdings unumgänglich.

Prof. Dr. Andreas Ulbrich von der Hochschule Osnabrück zeigte die Chancen und Grenzen des zukünftigen Agrarsystems Vertical Farming auf. So stellte er heraus, dass es zwar enormes Potential bezüglich der Ertragsmengen von z.B. Süßkartoffeln gebe, im Hinblick auf die Energieeinsparung jedoch ein besonderer Forschungsbedarf bestehe. Ein neues Projekt untersucht die Nutzung der Produkte aus Kläranlagen für das urbane Vertical Farming.

Das CSRD, das EU-Nachhaltigkeitsreporting oder „Corporate Sustainability Reporting Directive“ wird Unternehmen wie die AGRAVIS zukünftig herausfordern, erläuterte Katharina Rudack. Diese Reports haben den gleichen Stellenwert wie die Finanzberichterstattung und unterliegen der Prüfpflicht. Daraus ergibt sich für die angeschlossenen landwirtschaftlichen Betriebe die Pflicht der Treibhausgas-Bilanzierung. Rudack erklärte, dass in Deutschland aktuell kein einheitlicher Standard bei der Berechnung der Emissionen existent sei. Die derzeit am Markt erhältlichen Tools kämen bei Berechnungen aufgrund unterschiedlicher Grundlagen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hier sei die Einigung auf einen Standard innerhalb der Branche für die Zukunft unumgänglich, da die gesellschaftliche und gesetzliche Nachfrage nach Nachhaltigkeit steige. „Zukünftig werden Betriebe, die ihre Treibausgasbilanz reduzieren oder emissionsfreie Produkte herstellen, einen finanziellen Vorteil haben“, so Rudack.

Outdoor

Mit ökonomischen Untersuchungen zu den innovativen Maßnahmen von Pflanzenschutz- und Düngemittelreduktion befasste sich der Vortrag von Dr. Tobias Jorissen von der Hochschule Osnabrück. Die Wirtschaftlichkeit dieser Verfahren sei maßgeblich abhängig vom jeweiligen Betriebsmittelpreis. Weiterhin müsse eine ausreichende Auslastung der innovativen Technik (z. B. Drohnen) zur Abschreibung von hohen Investitionskosten gegeben sein.

Lutz Decker führte in seinem Vortrag aus, inwiefern regenerative Methoden auf seinem Betrieb für eine klimaneutrale Milchproduktion umgesetzt werden. Dazu zählen dauerhafte Begrünung, Direktsaatverfahren, Kinsey-Düngestrategie, Zwischenfrucht- und Hauptfrucht-Mischungen, um diverse Pflanzengesellschaften abzubilden, und Beweidung. Das Ziel sei, in einem intensiven Milchproduktionssystem mit hohen Maisanteilen in der Futterration und in der Fruchtfolge in eine Humusaufbau-Situation zu gelangen, um am Ende des Tages zu einer klimaneutralen Milchproduktion zu kommen (Netto-Null).

Welche Vorteile regenerative Landwirtschaft mit sich bringt und wie der Umstieg durch die Vergütung von Klimaschutzleistungen vereinfacht werden kann, demonstrierte Lutz Wildermann vom Berliner Unternehmen Klim.

Vorfreude auf die Beraterhochschultagung 2024

Dr. Michael Schrörs, Referatsleiter des Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, hob in seinem Schlusswort die hervorragende Vernetzung und den Wissensaustausch zwischen der Beratung und der Wissenschaft hervor, den die Beraterhochschultagung ermöglicht. „Ich freue mich schon jetzt auf die Beraterhochschultagung 2024“, sagte Schrörs.

LWL
Fotos: Hollmeyer/LWK Niedersachsen

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