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Wenn die Kunst in sakrale Räume hineinfegt – was passiert da?

HILDESHEIM. Während der EVI Lichtungen wurden Kirchen in Hildesheim zu Orten der Kunst: Michaelis- und Andreaskirche, das Literaturhaus St. Jakobi und die Annenkappelle am Dom gehörten zu den Ausstellungsorten. Doch eine Kirche ist nicht irgendein Raum. Abhängig von ihrer Vorprägung und ihren Erfahrungen betreten die BesucherInnen diese Orte mit einer bestimmten Haltung und Erwartung. Wie gehen die KünstlerInnen damit um? Wie beeinflussen sich Kirchenraum und Kunst gegenseitig? Nele Gittermann, Projektkoordinatorin der Pop Up-Kirche, hatte GesprächspartnerInnen eingeladen, die mit diesen Fragen bei ihrem künstlerischen Schaffen konfrontiert sind. Es gebe eine inhaltliche Parallele, meinte Gittermann: Die Pop Up-Kirche ihrerseits zieht als Kirche in ungewohnte, sonst weltlich genutzte Räume ein.

„Wir arbeiten viel in sakralen Räumen“, sagt Detlef Hartung vom Künstler-Duo Hartung und Trenz, das die Jakobikirche mit leuchtenden, fließenden Wortpaaren bespielt hat – durchaus passend zu deren Funktion als Literaturkirche. Kirchen böten sich allein schon wegen ihrer Größe an. Die Kunst löse die sakrale Ausstattung auf. Dennoch: „Kulträume haben per se eine gewisse Aufladung“, sagt Hartung, „wir gehen immer mit Respekt an sakrale Räume heran.“ Tatjana Busch ist begeistert von der Annenkapelle als Ort ihrer Kunst: „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie, „Das Mystische und Irrationale ist in dem Raum schon gegeben.“ Die subjektive Erwartungshaltung der Menschen, aber auch die Wirkung des Raumes selbst eröffne – auch für sie – unerwartete Aspekte ihrer Arbeit.

Yvonne Goulbier bezieht die Umgebung, die Architektur, grundsätzlich in ihre Kunst mit ein und arbeitet gern in Kirchen: „Ich mache die Seele eines Raumes sichtbar.“ Goulbier war 2015 am Lichtkunstfestival in Hildesheim beteiligt; dieses Jahr ist sie nicht dabei. Auch sie schwärmt jedoch von der Annenkapelle, das sei ein toller Raum mit „unglaublicher Kraft“.

Vor dem aber KünstlerInnen nicht zuviel Respekt haben sollten, warnt Medienpädagoge, Theologe und Kurator Andreas Mertin – wie überhaupt vor sakralen Räumen. Wer der Kunst eine Kirche als Raum anbiete, dürfe danach nicht mehr reinreden, betont er. Kunst dürfe nicht zur Vermittlerin bestimmter Botschaften verkommen. Kirchen, die noch als solche genutzt werden, sind für ihn aber spannende Ausstellungsorte: „Wenn da die Kunst reinfegt, was passiert da eigentlich?“

„Religiös ist jedes Kunstwerk, wenn es gut ist, weil es immer etwas bewegt“, sagt Mertin. „Kunst macht uns zu Menschen“, meint der Kurator, es gebe sie schon viel länger als die Religion und: „Gelungene Kunst muss das Leben verändern, unvergesslich sein.“

Die Zuhörenden rund um den langen Tisch in der Pop Up-Kirche brachten eigene Erfahrungen mit Kunst in Kirchen ein. Es entspann sich eine Diskussion über das Potential von Kunst, die Wahrnehmung dieser Räume zu verändern, und darüber, wie weit die Verstörung durch Kunst in Kirchen gehen darf.

Wiebke Barth
Foto: Wiebke Barth

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