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Wenn die Emotionen hochkochen: Wie Familien mit Konflikten umgehen können

Landkreis HILDESHEIM. Die aktuellen Einschränkungen, die mit der Eindämmung des Corona-Virus einhergehen, wirbeln den Alltag vieler Familien durcheinander. Die Beraterinnen der Jugend-, Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas können Familien helfen, ihren Alltag auch in Krisenzeiten zu bewältigen.

Es ist Dienstag. Die neue Tagesstruktur hatte Familie M. Auftrieb gegeben. Svenja (38 Jahre), Johannes (41 Jahre), Max (12 Jahre), Miriam (7 Jahre) und Leon (4 Jahre) haben ein paar gute Tage miteinander verbracht. Die gute Stimmung hält jedoch nicht lange an. Es kommt zum großen Knall.
Svenja hatte einen besonders anstrengenden Arbeitstag. Als sie Feierabend hat, merkt sie, dass sie dringend den Kopf frei bekommen muss und macht deshalb noch einen kurzen Spaziergang. Sie denkt an den Abend und freut sich schon darauf, mit ihrer Tochter durch das Wohnzimmer zu tanzen. In diesen Momenten vergisst sie oft alles, was ihr gerade Sorgen bereitet.

Als sie zur Tür hereinkommt knurrt ihr Mann sie an: „Wo warst du denn?“ „Dir auch einen guten Tag, mein Liebling“ antwortet Svenja schnippisch. Sie merkt, wie die Anspannung, die sich schon auf der Arbeit angestaut hat, sofort wieder da ist.

„Ich kann so nicht arbeiten! Du weißt doch, dass ich alle Hände voll zu tun habe mit meinen Kunden. Nur weil ich von zuhause aus arbeite, habe ich nicht weniger zu tun. Im Gegenteil!“ Johannes hat einen hochroten Kopf: „Sei bitte nächstes Mal pünktlich hier!“

Svenja holt tief Luft. Sie versucht sich zu beherrschen. Sie verdreht die Augen und antwortet gepresst: „Ich brauchte etwas Zeit für mich, um runterzukommen und war spazieren.“ Damit lässt sie Johannes stehen und geht in die Küche. Doch dort steht überall Geschirr herum. „Was hat Johannes denn den ganzen Tag gemacht?“, denkt Svenja und geht wütend zu ihrem Mann.

„Die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld. Wir haben die Vereinbarung getroffen, dass du mitanpackst. Jetzt muss ich wieder alles alleine machen. Ich werde nachher keine Zeit mehr haben, mit Miriam zu tanzen. Ich nehme an, die Kinder haben ihre Aufgaben auch nicht fertig?!“
„Keine Zeit zu tanzen? Ich habe wirklich wichtigere Sorgen, Svenja. Du warst heute schon spazieren. Also lass mich jetzt in Ruhe arbeiten und hör auf herumzumeckern“, knallt Johannes ihr vor den Kopf und will sie aus dem Raum schieben.

In dem Moment platzt Miriam herein. Sie zieht den weinenden Leon hinter sich her. „Leon nervt!“, schreit Miriam. „Er rennt mir die ganze Zeit hinterher, wie ein Baby. Und er hat mein Federmäppchen angemalt.“ Leon schluchzt: „Sie hat mich gehauen. Miriam ist blöd!“. „Ich bin nicht blöd“, schreit Mariam zurück und beginnt zu weinen.

Svenja platzt der Kragen: „Immer das gleiche Theater mit euch! „Raus, alle raus jetzt. Lasst mich endlich arbeiten“, brüllt Johannes dazwischen.

Was in einer solchen Situation hilft, weiß Mediatorin Hannah Zingsheim: „Unterbrechen Sie heftige Streits und reden Sie später weiter.“ Das bedeutet jedoch nicht, den Konflikt zu wegzuschieben: „Vereinbaren Sie eine konkrete Zeit, wann Sie darüber reden wollen“, sagt die Teamleiterin der Jugend-, Erziehungs- und Familienberatungsstelle. Das Gespräch sollte möglichst zeitnah erfolgen. Für die Zeit bis zu einem solchen Gespräch empfiehlt Zingsheim allen Beteiligten eine Auszeit: „Nutzen Sie diese Zeit aktiv, um sich abzukühlen. Machen Sie etwas ganz Anderes. Überlegen Sie danach, was Ihnen für das Gespräch wichtig ist.“

Jüngere Kinder benötigen Unterstützung durch die Eltern, um sich beruhigen zu können. Eine ruhige Atmosphäre hilft ebenso wie der Kontakt und die Nähe. „Spenden Sie ihnen Trost und zeigen Sie den Kindern, dass die Beziehung zu Ihnen sicher ist – auch bei Streit“, erklärt die Mediatorin.
Mutter Svenja bringt darum auch Leon auf sein Zimmer, der noch immer bitterlich weint. Sie wendet sich Leon zu und sagt: „Dir ist bestimmt langweilig, weil keiner mit dir Spielen möchte. Das kann auch traurig machen und wütend.“ Leon nickt. „Komm mal her“, sagt die Mutter und streckt ihre Arme aus.

Leon drückt sich fest an sie. Svenja streichelt ihm solange über den Kopf, bis sich Leon beruhigt hat. „Gut“, sagt Svenja und steht auf. „Wir werden gleich im Wohnzimmer noch einmal darüber sprechen. Ich hole dich hier in 20 min ab. Bis dahin kannst du mit deinen Autos spielen oder etwas malen. Bleib bitte in deinem Zimmer“.

Svenja verlässt den Raum. Sie macht sich einen Tee und setzt sich ins Wohnzimmer. Hier kann sie sich am besten sortieren und überlegen, was sie den anderen gleich sagen möchte und was ihr eigentlich wichtig ist. Sie überlegt sich, dass Gespräche sicher friedlicher ablaufen würden, wenn alle ihre Wünsche formulieren würden, statt sich Vorwürfe zu machen. „Was genau wünsche ich mir eigentlich für mich und von den anderen?“, überlegt Svenja.

Auch Johannes macht sich seine Gedanken. Er nutzt die Auszeit, um einmal um den Block zu gehen. Ihm wird klar, dass er wegen der Angst um seinen Arbeitsplatz so gereizt ist. Er kennt das schon von sich, dass er dann erst einmal gereizt und wütend wird. Erst später bemerkt er, was eigentlich los ist. Er nimmt sich vor, am Abend über seine Ängste mit seiner Frau zu sprechen. Das fällt ihm nicht leicht, aber er hat gelernt, dass das hilft, die Situation zwischen ihnen zu entspannen.
Miriam setzt sich derweil an ihren Schreibtisch und malt ein Bild. Mama hatte ihr mal gezeigt, dass man seine Gefühle malen kann und gesagt, dass man sich danach gleich viel leichter fühlt. Sie nimmt einen schwarzen und einen roten Stift und malt in dicken Linien auf das Papier. Der Wust aus den Strichen sieht fast wie eine Gestalt aus. Sie malt ein Gesicht, spitze Ohren und einen Schwanz daran. So sieht Wut aus, denkt sie sich und muss kichern.

Erste-Hilfe in Konflikten

  1. Unterbrechen Sie heftige Streits und reden Sie später weiter
  • Vereinbaren Sie ein Code-Wort oder ein „STOPP“-Zeichen für Auszeiten
  • Vereinbaren Sie eine konkrete Zeit, zu der sie weitersprechen. Schieben sie Konflikte nicht so weg, bis sie sich laut und massiv zurückmelden.
  1. Nutzen sie die Auszeit aktiv, um sich abzukühlen
  • Bewegung, Musik, Malen, Schreiben und etwas ganz Anderes tun hilft
  1. Unterstützen Sie als Eltern Ihre jüngeren Kinder dabei, sich zu beruhigen
  • sorgen Sie für eine ruhige Umgebung
  • stellen Sie Kontakt her: begeben Sie sich auf Augenhöhe, sprechen Sie ihr Kind direkt an, berühren Sie ggf. ruhig die Schulter
  • bieten Sie Ihrem Kind Worte für seine/ihre Gefühle an
  • spenden Sie Trost: zeigen Sie, dass die Beziehung zu Ihnen sicher ist, auch bei Streit
  1. Sprechen Sie erst dann weiter, wenn alle abgekühlt sind und wieder zuhören können. Überlegen Sie sich vorher, was Sie sagen möchten:
  • Was sollen die anderen von Ihnen wissen und hören?
  • Was wünschen Sie sich konkret von den anderen oder von sich selbst?
  1. Vereinbaren Sie Gesprächsregeln, jede*r möchte gehört werden. Kinder und Eltern wünschen sich Respekt.
  • jede*r darf nacheinander Sprechen, die anderen hören aufmerksam zu
  • tauschen Sie aus, was sie gehört haben. Das vermeidet Missverständnisse
  • formulieren Sie Wünsche, statt Vorwürfe und vermeiden sie Verallgemeinerungen, wie „immer“
  1. Achten Sie im Alltag auf ihre Stimmung. Je entspannter Sie sind, desto eher können Sie einen klaren und kühlen Kopf bewahren
  • Fragen Sie sich selbst mehrmals am Tag: Wie geht es mir gerade? Bin ich angespannt oder entspannt?
  • Was können Sie selbst (nicht die anderen) für Ihre eigene Entspannung tun?

Die Jugend,- Erziehungs- und Familienberatung der Caritas bietet aktuell eine telefonische Beratung unter Telefon: 05121/1677226. Die Mitarbeiterinnen sind auch per E-Mail: jeb@caritas-hildesheim.de erreichbar. Online ist auch eine anonyme Beratung möglich: www.caritas.de/onlineberatung. Die Erziehungsberatungsstelle des Landkreises ist erreichbar unter Telefon: 05121-3091131 oder per E-Mail: erziehungsberatungsstelle@landkreishildesheim.de

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