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Bischof Wilmer: Leidenschaftlich an der Seite der Armen stehen – Hirtenwort zum Martinstag wird am 7. November 2021 in den Gottesdiensten verlesen

HILDESHEIM. Der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ hat ein Hirtenwort an die Pfarrgemeinden im Bistum Hildesheim geschrieben. Anlässlich des Festes des Heiligen Martin, das am 11. November 2021 gefeiert wird, thematisiert der Bischof globale und nationale Krisenereignisse und beschreibt, wie Menschen zu Helferinnen und Helfer in der Not werden. Genau dort werde das Wirken des Geistes Gottes sichtbar.

„Mit diesem Geist entstehen so immer wieder neue Initiativen für solidarisches, diakonisches Handeln der Kirche. Christlicher Glaube und Nachfolge Jesu werden leibhaftig spürbar, wo Menschen einander zu Mitmenschen werden“, schreibt Wilmer. Der auferstandene Christus sei gegenwärtig in den Armen und Notleidenden, so der Bischof. Der Dienst an den Geringsten sei wirklicher Gottesdienst. Hier trete Gott in unser Leben.

An die Gemeinden gewandt, betonte Wilmer, er wolle mit ihnen weiterhin engagiert unterwegs sein, nahe bei den Menschen: „Schon jetzt erfahre ich bei meinen Besuchen vor Ort von beeindruckenden großen und kleinen Initiativen und Projekten. Und ich freue mich darauf, künftig noch mehr von solchem diakonisch-solidarischen Engagement kennenzulernen.“ Er rief dazu auf, „begeistert und leidenschaftlich an der Seite der Armen“ zu stehen.

Der Brief wird am Sonntag, 7. November 2021, in allen Sonntagsgottesdiensten einschließlich der Vorabendmesse verlesen. Hier das Hirtenwort im Volltext:

„Liebe Schwestern, liebe Brüder,

menschliches Leben ist bedroht und zerbricht. Menschen verlieren über Nacht alles. Beklemmend zeigt uns das die Flutkatastrophe im Westen unseres Landes, die verheerenden Waldbrände überall in diesem Jahr, die Ereignisse in Afghanistan oder die Situation in Haiti. Und immer mehr Menschen begeben sich auf die Flucht – und kommen dabei um. Die Pandemie geht weiter und verunsichert viele Menschen. Und schließlich denke ich an die Not, die einzelne Menschen mitten im Alltag einholt: ein Unfall, ein Unglücksfall, eine schlimme Nachricht.

Das berührt mich sehr. Aber genauso rührt mich an, wie sehr Menschen gerade in solchen Situationen einander helfen und füreinander da sind. Und das möchte ich stärken. Denn dies ist Verkündigung des Evangeliums. Daher schreibe ich dieses Wort.

Im Jahr 2015 konnten wir wichtige Erfahrungen sammeln, als geflüchtete Menschen bei uns Schutz suchten. Überall in Deutschland entstanden durch beherzte Menschen Initiativen. Und viele Christinnen und Christen engagierten sich in unseren Gemeinden. Dies geschah spontan, aus Leidenschaft für den Nächsten. Menschen unterschiedlichster Weltanschauungen arbeiteten zusammen. Auf diese Weise entstanden nachhaltig Patenschaften, Begegnungstreffen, Elterninitiativen, Aktivitäten im Familien- und Freizeitbereich und anderes mehr.

In der schweren Zeit der Pandemie wurde dieses solidarische Handeln, wenn auch in anderen Formen, wieder lebendig: Telefonanrufe bei alten Menschen, Einkaufsdienste, die Aktion Lernräume in den Ferien, Corona-Teststationen, kostenlose Maskenverteilung für Bedürftige oder den Einsatz gegen Formen von spaltendem Populismus – all das bezeugt eine ungeheure solidarische Leidenschaft. 

Und angesichts der diesjährigen Flutkatastrophe im Westen unseres Landes werden sich Ihnen und mir die Bilder eingeprägt haben, wo Menschen einfach hingefahren sind, ihre Geräte mitbrachten und anpackten. 

Aus Rheinland-Pfalz ist mir eine Frau in Erinnerung, die alles verloren hat und in einem Fernsehinterview sagte, dass sie das Schlimme, was passiert ist, gar nicht mehr so sehr sieht, sondern vielmehr gerührt ist davon, dass wildfremde Menschen herbeieilten und beherzt angefangen haben, den Dreck wegzuschaufeln oder Essen und Kleidung zu bringen.    

Nicht zu vergessen sind aber auch die vielen Menschen, die zwar aus gesundheitlichen oder Altersgründen nicht mehr so anpacken können, aber mit ihrem täglichen Gebet von Herzen notleidende Menschen und die Helferinnen und Helfer begleiten.   

All das ist Leben des Evangeliums: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40)

Er, der auferstandene Christus, ist ja gegenwärtig in den Armen und Notleidenden. Keine Frage: Der Dienst an den Geringsten ist wirklicher Gottesdienst. Hier tritt Gott in unser Leben. Und hier wird das Wirken des Geistes Gottes sichtbar.     

Mit diesem Geist entstehen so immer wieder neue Initiativen für solidarisches, diakonisches Handeln der Kirche.  

Das führt uns in die Mitte unseres Glaubens. Denn das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern bekommt durch die Fußwaschung, wie sie Johannes berichtet, eine herausragende „Erdung“.

Jesus selbst betont es: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ (Joh 13,12) Und weiter: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15) Diese „Erdung“ schafft einen Bezug zwischen der Feier des Abendmahls und dem leidenschaftlichen Dienst der Jüngerinnen und Jünger aneinander und vor allem an den Armen.

Mutter Teresa drückte es einmal so aus: „Wir sehen Christus in zweierlei Gestalt. Wir sehen ihn auf dem Altar als Hostie und wir sehen ihn in den Elendsvierteln in den zerbrochenen Körpern der Ausgestoßenen… Ich weiß: wenn ich [sie]… anfasse, berühre ich den LEIB CHRISTI.“ 

Unser Beten und Feiern sowie unsere Wege, die uns an die Seite der Armen führen, sind untrennbar verbunden. In der Gebrochenheit des Brotes zeigt sich die Gebrochenheit dieser Welt und die Einladung, sich verwandeln zu lassen.   

Mit Ihnen allen zusammen möchte ich in unserem Bistum weiterhin engagiert unterwegs sein, nahe bei den Menschen. Schon jetzt erfahre ich bei meinen Besuchen vor Ort von beeindruckenden großen und kleinen Initiativen und Projekten. Und ich freue mich darauf, künftig noch mehr von solchem diakonisch-solidarischen Engagement kennenzulernen. Christlicher Glaube und Nachfolge Jesu werden leibhaftig spürbar, wo Menschen einander zu Mitmenschen werden. 

Der Heilige Martin, dessen Fest wir in diesen Tagen feiern, hat seinen Rock geteilt. Vielleicht könnte dieser Tag in unserem Bistum zum Tag des Teilens werden mit denen, die in Not sind. In diesem Jahr möchte ich in Hildesheim einen kleinen Anfang wagen. Für den 11.11.2021 habe ich zu einem gemeinsamen Gebet im Dom und zu einem Essen eingeladen. Mich inspiriert dabei, was ich von der Gemeinschaft Sant`Egidio erfahren habe und was in Hildesheim an der Vinzenzpforte und beim Guten Hirten jeden Tag passiert: Die Einladung an alle, vor allem an herausgeforderte Menschen, miteinander Mahl zu halten, Gastfreundschaft zu leben und so Gemeinschaft zu teilen mit allen in ihrer Not.

Aber vor allem danke ich Ihnen. Alles, was durch Sie und andere in unserem Bistum an Zuwendung zu den Armen und Menschen in Not gelebt wird und geschieht, ist ein Segen – für alle Notleidenden und für uns selbst.

Bleiben Sie alle begeistert und leidenschaftlich an der Seite der Armen. Möge dieses Tun weiterhin von Gottes Segen begleitet sein.

Schließen möchte ich mit Worten von Heinrich Detering:

Aufbruch

als ich allein im Lockdown saß wie im Käfig
da hast du mich angerufen und es war wie
ein Ruf ins Freie

als ich hungerte und dürstete nach einem
Menschen in meiner Verlassenheit da warst du
für mich dieser Mensch

als ich krank war vor Angst und nicht wusste ob es
einen Ausweg geben würde aus der Not da
warst du der Ausweg

du hast ausgesehen wie mein Nachbar mein Freund
deine Stimme war mir vertraut und doch warst du
wie Gottes Engel

nun will ich zu dir kommen den Käfig öffnen
deinen Durst stillen dich trösten in deiner Angst
will bei dir bleiben

Dr. Heiner Wilmer SCJ
Bischof von Hildesheim“

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