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…damit die Studierenden Probleme lösen, statt unbewegtes Wissen anzuhäufen

HILDESHEIM. Wenn das Lernen im Studium Spaß macht und gleich auch noch nachhaltig effektiv ist, dann läuft es richtig gut für die Studierenden. Fähigkeiten und Motivation sind dabei die eine Seite, gute Lehre die andere. Seit fünf Jahren bietet das vom Bund geförderte HAWK-Projekt LernkulTour unter anderem Coachings für Lehrende an. Seit Beginn hat sich die Nachfrage vervierfacht. Insgesamt 60 hauptberuflich Lehrende haben das Angebot bisher genutzt, Tendenz steigend.

Dr. Dagmar Reinhold ist bei LernkulTour auch für didaktisches Einzelcoachin zuständigDas Team LernkulTour (v.r.): Dr. Dagmar Reinhold, Maren Lange, Sebastian Scheibe, Dr. Martina Oster, Melina Denda, Dr. Markus Kieselhorst, Ute Zaepernick-Rothe, Dr. Carina Sonja Olms, (nicht auf dem Bild: Torsten Sprenger und Uwe Hirsch und Dr. Meike Siegfried)

Manchmal haben kleine Änderungen große Wirkung. Zum Beispiel die Position des oder der Lehrenden im Raum: „Stellen Sie sich nicht ausschließlich an die Tafel, sondern gehen Sie in die Reihen, mitten unter die Studierenden“, rät Dr. Dagmar Reinhold, didaktische Coach im Team LernkulTour. Das erzeugt Nähe und Aufmerksamkeit. Oder der Klassiker: Die Professorin/der Professor stellt erst den fachlichen Stoff vor und bringt am Schluss ein Beispiel zur Verdeutlichung. Reinhold empfiehlt, es umgekehrt zu machen: „Werfen Sie das Beispiel zu Beginn der Vorlesung oder des Seminars in die Runde und lassen Sie die Studierenden Erklärungen entwickeln. Dann erst lösen Sie die Aufgabe mit Fakten auf. So erzeugen Sie mehr persönliches Interesse.“ Heutzutage ein hinlänglich bekanntes Bild: Studierende, die Köpfe gesenkt, tippen auf ihrem Smartphone – manche unterm Tisch, viele offen sichtbar – alle nicht bei der Sache. Wie wieder Aufmerksamkeit erzeugen? Didaktikerin Reinhold hat Vorschläge parat: „Gleich zu Beginn die Handynutzung besprechen und Regeln aufstellen. Mein Vorschlag wäre, dass Handys grundsätzlich ausgeschaltet bleiben. Bestimmte Fälle (Kind in der KiTa, kranke Personen im Hintergrund usw.) werden erlaubt, aber die betreffende Person sollte vorher im Plenum Bescheid sagen, dass das Handy angeschaltet bleiben muss. Damit im Rücken Studierende, die von den Regeln abweichen, auch wirklich direkt ansprechen und sie um Unterlassung bitten. Als nächste Stufe ankündigen, dass Studierende, die die Handyregeln verletzen, den Raum für heute werden verlassen müssen. Dies dann im letzten Schritt ebenfalls konsequent umsetzen.“

Manche Tipps schienen wie Kleinigkeiten, hätten aber oft große Wirkung. Und vor allem sei das Gesamtkonzept wichtig, betont Dr. Martina Oster, ebenfalls Coach bei LernkulTour. „Wir haben den Blick von außen auf den Lehrenden/die Lehrende und können unser Feedback gleich fachlich mit unserem Methodenkanon kombinieren“. Das Ziel ist, die Studierenden aktiv einzubeziehen, ihnen Lernprozesse beziehungsweise Lernstrategien zu verdeutlichen und sie in die Lage zu versetzen, mehr Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess zu übernehmen. Sie sollen Probleme lösen lernen, statt unbewegtes Wissen anzuhäufen. Und das schaffen sie mit Hilfe ihrer Lehrenden.

Prof. Dr. Jan Rossel von der Göttinger HAWK-Fakultät Naturwissenschaften und Technik hat viele Anregungen mitgenommen: „Das Coaching bei LernkulTour war genau auf meine Themen abgestimmt. Besonders eindrücklich war der Rat von Frau Dr. Reinhold, noch stärker räumliche Präsenz zu zeigen. Ich stelle mich seitdem zum Beispiel immer mal direkt ins Auditorium, wenn ich eine Arbeitsaufgabe stelle. Das wirkt überraschend aktivierend auf die Lernprozesse.“ Über eine Punktlandung freute sich zum Beispiel Prof. Dr. Zulia Gubaydullina, die Ende 2016 an der HAWK startete und gleich darauf schon Zweite bei ‚Teacher of the Year‘ wurde. „Das Coaching kam gerade richtig. Unser neuer Studiengang Betriebswirtschaft läuft berufsbegleitend – der überwiegende Teil der Lernaktivitäten ist digital unterstützt. Onlinelehre ist aber in vielerlei Hinsicht anders als Präsenzlehre. LernkulTour hat mich daher mit dem Team E-Learning in Kontakt gebracht. Ich traf so auf neue Möglichkeiten, über aktivierende Interaktion eine persönliche Beziehung zu online Lernenden aufzubauen. Das waren durchaus auch ganz kleine Dinge. Allein der Tipp, einen fröhlichen Smiley mit einem Webcam – Zwinkerauge in Webkonferenzen zu verwenden, verbesserte die Stimmung in der Onlinekommunikation.“

Eine ganz andere Ausgangslage hatte Dr. Sandra Schiller von der Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit in Hildesheim: „Für mein disziplinübergreifendes englischsprachiges Wahlpflichtmodul ‚Community development from a local and international perspective‘ ging es mir darum zu überlegen, wie in diesem Modul die auf Unterstützung und Selbstbefähigung der Teilnehmenden angelegte partizipative Vorgehensweise des Community Development schon durch die Art der Vermittlung der Modulinhalte demonstriert werden kann. In der individuellen Beratung haben Dr. Dagmar Reinhold von LernkulTour und ich gemeinsam überlegt: Wie kann ein aktivierender Input zusammen mit der Bereitstellung unterschiedlicher Informationsmaterialien auch eine heterogene Studierendengruppe in einer fremdsprachigen Veranstaltung in die Lage versetzen, Interesse zu entwickeln, sich über den eigenen Informationsbedarf klar zu werden und diesen dann mit gezielt gesuchter Unterstützung zu stillen?“ Schiller gefiel vor allem, „dass man im Gespräch selber viele Ideen entwickelt, eine Einschätzung erhält, welche Ansätze wie funktionieren und dass ich Tipps zu Methoden erhalte, die mir selber noch nicht bekannt sind“.

„Die Lehr-Lernforschung und Lerntheorie der vergangenen Jahre machen immer deutlicher, dass zum Lehren sehr viel mehr gehört als reine Fachexpertise. Wir sprechen von einem sogenannten ‚Shift from Teaching to Learning‘: Nicht den richtigen Stoff vermitteln, sondern die Lernenden befähigen, ihn sich selbst gesteuert zu erarbeiten, ist der richtige Weg. Dies ist didaktisch enorm herausfordernd“, erläutert Reinhold.

Lehr – Coaching als Antwort

Die HAWK hat verschiedene Angebote zur didaktischen Weiterentwicklung für ihre Lehrenden entwickelt. So bietet LernkulTour neben Workshops und dem speziellen Programm TeachIn‘ für neue Lehrende mit zunehmendem Erfolg auch das didaktische Einzelcoaching an. Auch Torsten Sprenger betont: „Die Lehrenden an unserer HAWK nehmen die neuen Herausforderungen in ihrem Job selbstbewusst an und möchten immer besser werden, genau so war das Angebot gedacht.“

Seit Einführung 2014 hat sich die Nachfrage nach Coaching vervierfacht. Insgesamt 60 hauptberuflich Lehrende nahmen es bisher in Anspruch, viele davon in mehreren Sitzungen und mit gleich mehreren Anliegen. Gern und auch zunehmend wird das Coaching von den Lehrenden mit einer Hospitation kombiniert, bei der LernkulTour den Unterricht besucht und dann individuell Rückmeldung geben kann. Mittlerweile nehmen alle Fakultäten der HAWK und auch der Gesundheitscampus am Coaching teil. „Anfang des Jahres hat die hundertste Coachingsitzung von LernkulTour stattgefunden“, sagt Reinhold. „Ich habe einem Professor dabei geholfen, die Modulbeschreibungen und -abläufe für seine Veranstaltungen didaktisch zu reflektieren und zu überarbeiten.“ Die Themen sind sehr breit gestreut. Von der Frage, wie mit störenden Smartphones im Unterricht umzugehen ist über das Training der eigenen Rhetorik bis hin zur Perfektionierung der Unterrichtsmethodik ist alles dabei.

Coaching ist personal- und energieintensiv. Es ist aber auch eines der wirksamsten Formate, um Profis in ihrem Feld reflektiert bei der eigenen Entwicklung zu begleiten. Angesetzt wird direkt beim ganz individuellen Wissensstand und Bedürfnis, gesagt werden darf alles, es wird reflektiert, bei entsprechender Lage des Anliegens auch gern einmal trainiert und ausprobiert. Das Geheimnis ist das Fragen. Sind Anliegen und Ziel geklärt, helfen die Coaches von LernkulTour dabei, selbst eine Lösung zu entwickeln. Coaching verzichtet meist auf reine Ratschläge – nur so passt die selbst entwickelte Lösung ganz individuell zu der oder dem Lehrenden.

Auch andere deutsche Hochschulen bieten mittlerweile Einzelcoaching für ihre Lehrenden an. Allerdings laufen einige Dinge an der HAWK ungewöhnlich, beschreibt Reinhold: „Die hauseigenen Hochschuldidaktiker/innen vergeben die Anliegen nicht wie viele andere Hochschulen fremd an externe Coaches, sondern übernehmen selbst und bezeichnen sich nicht wie andernorts als Fachberater/innen, sondern direkt als Coaches. Inhouse zu coachen sei beispielsweise in der Industrie gar nicht so ungewöhnlich, so habe zum Beispiel Volkswagen eine eigene Coaching-Abteilung. „Wir von LernkulTour können bestätigen, dass dieser mittlere Abstand zur Klientel günstig ist – wir gehören nicht zum Lehrkörper und haben ausreichend Fremdperspektive, kennen aber die Hochschule gut und sehen als Profis genau, wo es hakt“, sagt sie.

Die LernkulTour-Profis wechseln dann durchaus innerhalb einer Sitzung die Rolle von Beratung und Coaching, erläutert auch Oster: „Beides ist gefragt, und man kann das nicht immer trennen. Wenn ich etwa bei einer Modulbeschreibung helfen soll, ist das erstmal Fachberatung. Es geschieht aber gar nicht so selten, dass man spürt, hier ist irgendwo eine Sperre, dann fragt man nach und landet schon mal bei klassischen Coaching-Themen, wie etwa der Sorge, den selbst formulierten didaktischen Beschreibungen später im Unterricht dann nicht gerecht zu werden.“ Dass diese Praxis Anforderungen an die Weiterbildung der Coaches stellt, ist klar. Unter anderem hat ein weiteres Teammitglied vor einem Jahr die Ausbildung zum zertifizierten Coach abgeschlossen. Die Gruppe vernetzt sich mit den Coaches an anderen niedersächsischen Hochschulen und gerade wurde eine erste Arbeitsrunde mit der externen Supervisorin Marita Schmid abgeschlossen.

Vor allem gewinnen die Studierenden

Der größte Vorteil des Coaching-Angebotes der HAWK kommt natürlich bei den Studierenden an. Denn wenn Lehrende ihren Unterricht so gestalten können, dass Studierende selbst Sinn im neuen Wissen finden können, wenn sie sehen, wo ist dieses Wissen in der zukünftigen Berufspraxis relevant und wenn sie eigene Wege der Erarbeitung von Wissen wählen können – dann wird aus Wissen Kompetenz. Das Wissen sitzt sicherer und kann selbstständig in jeder möglichen Situation aktiviert und angewendet werden. Wenn aus Lehrenden also Lerncoaches werden, die anregen, fordern, fördern und begleiten, dann wenden die späteren Absolvent/innen ihr Wissen nicht einfach an, sie lösen vielmehr Probleme.

Eine Tour durch LernkulTour

Das Projekt LernkulTour hat seit seinem Start in 2011 an der HAWK neben dem hochschuldidaktischen Coaching noch viele weitere Angebote entwickelt:

Für Lehrende:
Digitales hochschuldidaktisches Coaching (neu)
Workshops rund um gute Lehre
After Work – Kurzformat: In einer Stunde inhouse didaktisch weiterkommen
TeachIn‘ Programm für neue Lehrende
Lehrhospitationen
Beratung bei der Modulentwicklung und -formulierung
Beratung zu kompetenzorientierten Prüfungsformaten
Möglichkeit, über LernkulTour Tutoriengelder zu erhalten

Für Studierende:
Weiterbildung zum/zur Tutor/in
Erwerb eines qualifizierten Tutorien – Zertifikats
Lernen lernen: Methodenportal und Workshops
Beratung und Workshops rund um das wissenschaftliche Schreiben
Vorträge Ehemaliger zur Berufspraxis: Das Treffen mit den Ex
Professionelle Begleitung interdisziplinärer Praxisprojekte (z.B. Blue Flash – Entwicklung eines Rennwagens)

Für Fakultäten:
Unterstützungskatalog mit Prozessbeschreibungen und Hilfe rund um Lehre, Studiengangsentwicklung und Evaluation
Instrumente und Begleitung für die Lehr- und Studiengangsevaluation
Begleitung in der Entwicklung und Umsetzung einer hochwertigen Studieneingangsphase Begleitung und Beratung bei (Re-)Akkreditierungsprozessen

PR
Fotos: HAWK

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