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„Und wie lange soll das noch so gehen…?“ – Eine gute Tagesstruktur und Selbstfürsorge sind für Familien wichtig

HILDESHEIM. Die aktuellen Einschränkungen, die mit der Eindämmung des Corona-Virus einhergehen, wirbeln den Alltag vieler Familien durcheinander. Die Beraterinnen der Jugend-, Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas können Familien helfen, ihren Alltag auch in Krisenzeiten zu bewältigen.

Es ist Freitag. Familie M. lebt den langsam zum Alltag werdenden Ausnahmezustand. Was sich anfangs für die Kinder Max (12 Jahre), Miriam (7 Jahre) und Leon (4 Jahre) noch wie ein Abenteuer anfühlte, beginnt nun langweilig und nervig zu werden. Auch die Eltern, Svenja (38 Jahre) und Johannes (41 Jahre) kommen an ihre Grenzen.

„Oh Mama ich langweile mich.“ Die siebenjährige Miriam schaut ihre Mutter vorwurfsvoll an. „Mal was“, antwortet die genervt. Svenja kommt gerade aus der Praxis. Als Fachangestellte in der Zahnarztpraxis ist sie gerade dabei Patientinnentermine zu verlegen, Notfälle auf die wenig verfügbaren Zeitfenster zu verteilen und beunruhigte Patientinnen zu beruhigen. Gleichzeitig lassen Mundschutzlieferungen auf sich warten, was den Chef ungehalten werden lässt. Die Stimmung ist gereizt.

„Ich hab schon sooo viel gemalt. Schau mal“, Miriam hält ihr ein Bild hin.

„Gut, dass du da bist, jetzt kannst du die Kinder übernehmen. Ich komm zu gar nichts“, empfängt Johannes sie. Er hat sein Homeoffice auf dem Küchentisch installiert und managt von dort abgesagte Reisen unzähliger Kunden des Reiseunternehmens, bei dem er tätig ist.

Aus dem Obergeschoss hört man laute Musik. „Ist Max denn schon mit seiner Lektion für heute fertig?“ Svenja kann ihren Ärger schwer unterdrücken: „Und das Geschirr von heute Morgen steht auch noch rum“.

Johannes atmet tief durch: „Du bist den ganzen Morgen weg und kriegst von dem Chaos hier ja nichts mit… aber dann gleich irgendwelche Forderungen stellen!“

Leon der Vierjährige schmeißt seine Bausteine gegen die Wand. „Leon! – Hör sofort damit auf! Das gibt doch Löcher. “ Svenja redet lauter als sie eigentlich will. „Wann gibt es eigentlich was zu essen?“, schreit Max aus seinem Zimmer. Johannes verlässt den Raum.

„Oh Hilfe, wie lange soll das noch so weitergehen und wie sollen wir das schaffen?“, denkt Svenja sich und seufzt tief. Sie setzt Nudeln auf, schaut sich Miriams Bilder an und gibt Leon ein Stück Apfel.

Die derzeitige Ausnahmesituation bedeutet für die Familie eine erhebliche Belastung. „Zu einfache Tipps gehen in solch einer Situation oft an der Realität vorbei“, sagt Ingrid Frank von der Jugend-, Erziehungs- und Familienberatungsstelle der Caritas. Für Familie M. – wie auch für alle anderen Familien in dieser Situation – wäre es hilfreich, sich zusammenzusetzen und eine Familienkonferenz abzuhalten. „Machen Sie gemeinsam einen Plan für ihr Leben zuhause. Überlegen Sie, wer welche Aufgabe übernimmt, welche Auszeiten es gibt und was gemeinsam unternommen werden kann“, rät Frank.

Dazu sollte in der Familie zuerst alles gesammelt werden, was jetzt für jeden einzelnen und gemeinsam wichtig ist – zum Beispiel Homeoffice und Arbeitszeiten, Lerneinheiten, Fernsehzeiten, gemeinsame Mahlzeiten und Aktivitäten.

„Machen Sie sich einen Wochenplan, in den jeder seine Zeiten eintragen kann“, empfiehlt die systemische Familientherapeutin.

Familie M. hat eine solchen „Zuhauseplan“ erstellt. Dort sind die Zeiten am Schlagzeug für Max ebenso aufgeführt wie die Tanzphasen von Mutter Svenja mit ihrer Tochter, das gemeinsame Joggen vom Vater mit Sohn Max oder die Fahrradtouren der Mutter mit Miriam und Leon. Denn: „Sorgen Sie für Bewegung – auch an der frischen Luft. Das tut allen gut“, lautet der Rat der Expertin.

Die Familie bespricht auch, welche Familien- und Haushaltsaufgaben jetzt wirklich wichtig sind und welche auch warten können. Danach fertigen sie eine To-Do-Liste an und teilen die Aufgaben auf. Dabei übernehmen die Eltern sowie Teenager Max das meiste. Miriam wird als Helferin für kleinere Tätigkeiten eingeplant. Und Leon deckt mit seinen Eltern zusammen den Tisch.

„Sinnvoll ist es, diesen Plan eine Woche lang auszuprobieren und dann neu zu besprechen“, erklärt Frank.
Familie M. macht damit gute Erfahrungen.

Max, der gerne Schlagzeuger werden will, nimmt sich jetzt regelmäßig nachmittags Zeit, um auf Youtube Schlagzeugvideos anzuschauen. Er systematisiert entsprechende Clips und intensiviert seine Stunden im Keller. Seine Eltern haben ihm erlaubt eine Wand ‚seines‘ Übungsraums mit alten Farbresten anzumalen. Das Projekt will er am Wochenende umsetzen.

Leon freut sich, dass alle so oft zuhause sind. Er besucht abwechselnd Papa am Schreibtisch, dann Miriam, die manchmal mit ihm malt und will bei Mama sein, wenn sie nachhause kommt.

Svenja hat, seit es den neuen Zuhauseplan gibt, begonnen mit Miriam im Wohnzimmer abends zu tanzen. Es tut ihr gut nach der Anspannung des Tages abends einfach mal loszulassen und albern zu sein und sowohl ihr als auch Miriam macht diese Zeit großen Spaß. Weil Svenja spürt wie gut ihr Bewegung tut, überlegt sie, nach den Stunden in der Zahnarztpraxis ab und zu spazieren zu gehen, bevor sie die Betreuung zuhause übernimmt. Ob sie das Johannes zumuten kann?

Johannes macht es froh seine Familie so nah um sich zu haben. Er überlegt öfter als sonst, was er seinen Lieben Gutes tun kann und spürt, dass ihm das selbst auch guttut. Genauso wie die Freiräume, die er sich, in Verabredung mit den anderen, geschaffen hat. Zu diesen Zeiten kommt er seit langem mal wieder zum Lesen. Es klappt zwar noch nicht immer, dass alle seine Freizeit respektieren, doch genau für solche Dinge wird sich die Familien am nächsten Sonntag wieder zusammensetzen.
Die Jugend,- Erziehungs- und Familienberatung der Caritas bietet aktuell eine telefonische Beratung unter Telefon: 05121/1677226. Die Mitarbeiterinnen sind auch per E-Mail: jeb@caritas-hildesheim.de erreichbar. Online ist auch eine anonyme Beratung möglich: www.caritas.de/onlineberatung. Die Erziehungsberatungsstelle des Landkreises ist erreichbar unter Telefon: 05121-3091131 oder per E-Mail: erziehungsberatungsstelle@landkreishildesheim.de

Tipps zur Tagesstruktur und Selbstfürsorge
Dem Leben (wieder) eine Struktur zu geben, kann eine große Hilfe in diesen Tagen sein. Dazu gehört:

  • Zur gewohnten Zeit aufstehen
  • Festgelegte Mahlzeiten
  • Klare Zeiten für Schulaufgaben und Homeoffice
  • Hobbys, wenn möglich, Zuhause weiterführen
  • Altersangemessene Medienzeiten
  • Zeiten für gemeinsame Aktivitäten
  • Zeiten, für sich alleine
  • Ein (Familien-)Plan, der die Zeiten festhält

Das besondere Zusammenleben aktuell erfordert viel Rücksichtnahme, Empathie und Respekt voreinander. Je besser jede*r einzelne für die eigenen Bedürfnisse sorgen kann, umso bessere klappt meist das Miteinander. Für sich selbst sorgen kann heißen:

  • Innerhalb der Wohnung einen eigenen Bereich (Raum, Schreibtisch, Spielecke…) zu haben
  • Etwas nur für sich selbst tun, das ‚Auftanken‘ ermöglicht (Lesen, Musik machen, Basteln, Schreiben, …)
  • Für Bewegung sorgen, die guttut (Tanzen, Yoga, Spazierengehen, Radfahren…)
  • Gesund und lecker zu Essen
  • Mit anderen kommunizieren, was einem guttut, was man braucht und was man sich wünscht
  • Kleine Pausen so fest wie einen Termin in den Alltag einzuplanen

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