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Klärschlammverwertung mit vielen Fragezeichen

SARSTEDT. Die Klärschlammverwertung wirft viele Fragen auf und auch die Einschätzung des BUND sorgt für Wirbel. Die CDU-Fraktion im Stadrat von Sarstedt zeigt sich irritiert von den Ausführungen zum Vorhaben zur „Thermische Klärschlammverwertung mit anschließendem Phosphorrecycling der KNRN GmbH, Hildesheim“. Es kommt zu wechselseitigen Stellungnahmen:

Klaus Bruer, SPD und Friedhelm Prior, CDU, nehmen dazu Stellung:

Zur „Einschätzung des BUND vom 17.08.2020 zum Vorhaben „Thermische Klärschlammverwertung mit anschließendem Phosphorrecycling der KNRN GmbH, Hildesheim“, die mit der folgenden und völlig unbegründeten Behauptung endet:

„Die kommunale Trägerschaft sowie der Standort mit seinen zahlreichen Synergien schaffen die Voraussetzung, die Hildesheimer Anlage zu einem „Leuchtturm“ hinsichtlich: Ressourcenschutz durch effektive Phosphor- und Stickstoffrückgewinnung, geringstmöglicher Emissionen, Energienutzungskonzept und umweltschonender Logistik zu machen.“

Dieser Zusammenfassung ist ebenso kurz entgegenzuhalten:
Da ungewiss ist, ob das Vorhaben technisch und wirtschaftlich vertretbar umgesetzt werden kann, ist es haushaltsrechtlich nicht vertretbar. Dies gilt insbesondere, weil man nicht den geringsten Schimmer davon hat, wie die Phosphor- und Stickstoffrückgewinnung nachhaltig funktionieren soll.
Die Verbrennung ist klimaschädlich. Sie verursacht schädliche Einwirkungen auf den Menschen, die nicht erforderlich sind, weil Klärschlamm in einer nicht erforderlichen Menge verbrannt wird.
CO2 wird in erheblicher Menge produziert und konterkariert die Klimaschutzziele und Vorgaben zur CO2-Minderung.

Im Einzelnen:
Der BUND zählt in seiner Einschätzung in groben Zügen auf, welche wichtigen Fragen derzeit alle nicht beantwortet werden können und was er nicht betrachtet hat oder nicht betrachten kann.

In Stichworten:

  • Unklar, mit welcher Methode der Phosphor aus der Verbrennungsasche der Monoklärschlammverbrennungsanlage (MKVA) überhaupt wirtschaftlich zurückgewonnen werden kann, wann dies möglich sein wird, welche Kosten
    dabei anfallen und mit welcher Wirkung ein solcher Phosphor überhaupt für die Düngung nutzbar ist,
  • Es liegen noch keine Planungsunterlagen vor,
  • Die Einschätzung des BUND befasst sich … nicht mit der planungsrechtlichen Zulässigkeit der MKVA, basiert auf allgemein zugänglichen Unterlagen, den Informationen, die der Verfasser z. T. mündlich von der Geschäftsführung der KNRN sowie Herrn Franck (JOMA Umwelt – Beratungsgesellschaft mbH) erhalten hat, (Unverdächtige Experten. Umgangssprachlich auch Lobbyisten genannt),
  • Kriterien der Wirtschaftlichkeit werden nicht behandelt,
  • Der Zwischenschritt der Deponierung der Verbrennungsasche kann nicht bewertet werden.

Es ist erstaunlich, dass der BUND trotz dieser Vorbemerkungen überhaupt eine Einschätzung vorgenommen hat. Zudem enthält die Stellungnahme (Einschätzung) des BUND eine Reihe von falschen bzw. irreführenden Behauptungen:

Der BUND schreibt:
„Kleinere Kläranlagen unter 50.000 EW könnten den Klärschlamm bis 2032 landwirtschaftlich verwerten.“
Das ist falsch. Die Bundesregierung hat in der BT-Drs. 18/12495 vom 24.05.2017 zu Anlagen unter 50.000 EW ausdrücklich klargestellt:
„Für diese Anlagen bleibt auch weiterhin die Möglichkeit zur bodenbezogenen Klärschlammverwertung eröffnet. Die Interessen von kleinen und mittleren Unternehmen wurden damit in besonderer Weise berücksichtigt.“

Der BUND äußert, Pyrolysekohle dürfe nicht bodenbezogen verwertet werden.
Diese Aussage ist falsch und steht im Gegensatz zur Verordnung EU 2019/515 vom 19. März 2019, die Gesetzeskraft hat.
Die Möglichkeit zur Verwendung von Klärschlamm ist rechtlich erweitert worden: z. B. bei Maßnahmen des Landschaftsbaus, mit einer Nutzung zu forstwirtschaftlichen Zwecken und mit einer Nutzung als Haus-, Nutz- oder Kleingarten. „Zum Geltungsbereich zählen nun auch Rekultivierungsflächen (ohne Flächen, die dem Bergrecht unterliegen), Straßenbegleitflächen, Dämme, Lärmschutzwälle, Sportanlagen und in bebauten Ortsteilen gelegene öffentliche Parkanlagen“ (Auswirkungen der neuen Klärschlammverordnung auf die Klärschlammentsorgung – Erster Arbeitsbericht der DWA-Arbeitsgruppe KEK-1.5a – Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2018 (65) · Nr. 8).
Folglich wird auch Pyrolysekohle z. B. auf Lärmschutzwälle verbracht werden dürfen.

Der BUND liefert keinen sachgerechten Vergleich zwischen Verbrennung und Karbonisierung. Es wären aber zumindest in groben Zügen nähere Ausführungen zu folgenden Unterschieden erforderlich gewesen:

Die Verbrennungstechnik ist extrem klimaschädlich. Sie benötigt fossile Brennstoffe, produziert erhebliche Mengen CO2 und eine Verbrennungsasche, bei der unklar bleibt, ob daraus eine Phosphorrückgewinnung überhaupt nachhaltig und wirtschaftlich erfolgen kann. Im Gegensatz dazu heißt es beim BUND auf Seite 3: „Aufgabe der KNRN ist demnach in erster Linie die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm.“

Die Karbonisierung ist klimafreundlich. Bei ihr wird, was zwingend geboten ist, der Atmosphäre aktiv und nachhaltig Kohlendioxid (CO2) entzogen. Dafür gibt es keine andere Technologie, die sofort, großflächig und mit wirtschaftlichem Vorteil von jeder Gemeinde eingesetzt werden kann. Die Karbonisierung beseitigt zudem viele Schadstoffe (Mikroplastik, Medikamentenrückstände usw. Die Karbonisate bewirken in der Landwirtschaft zeitnah eine Bodenverbesserung und Nutzung von Phosphat; zusätzlich verbessern sie als Bodenhilfsstoff das Pflanzenwachstum und die Humusbildung, speichern Wasser, absorbieren Schadstoffe und reduzieren die besonders klimarelevanten N2O- sowie CH4-Emissionen.

Der BUND untersucht und beantwortet in keiner Weise die Frage, ob die im Hafen von Hildesheim geplante Monoklärschlammverbrennungsanlage und die von ihrem Betrieb verursachte Umweltbelastung überhaupt erforderlich ist.

Umweltbelastungen sind aber, soweit nicht erforderlich, zu vermeiden. Und im vorliegenden Fall sind die Belastungen eindeutig nicht erforderlich. Denn die Stadt Hildesheim ist in keiner Weise verpflichtet, den Klärschlamm anderer Städte und Gemeinden von weit her anzukarren, zu verbrennen und die mit Schadstoffen angereichert Luft in die Umgebung zu pusten.

Der Hinweis des BUND auf die Einhaltung von Grenzwerten in der Abluft ist sachfremd. Denn auch eine Luft, die im Bereich zulässiger Werte mit Schadstoffen belastet ist, führt zu einer Belastung der Umwelt und der Gesundheit des Menschen.

Die KNRN hat seit Herbst 2019 viele neue Gesellschafter. Daher wäre zumindest zu prüfen, ob bei diesen Gesellschaftern besser geeignete Standorte zur Verfügung stehen.

Der BUND differenziert in seiner Einschätzung nicht zwischen Wirtschaftsgrundsätzen und dem Kostendeckungsprinzip. Daher fehlt jeder Hinweis darauf, dass alle Kosten, die durch den Betrieb einer ggf. völlig überflüssigen Monoklärschlammverbrennungsanlage anfallen, vom Gebührenzahler zu tragen sind.

Die bisher von der KNRN angegeben Kosten sind nicht nachvollziehbar und schon durch Zeitablauf völlig überholt.
Dass die von der KNRN bisher angegebenen Kosten völlig unbrauchbar sind, zeigt auch der Umstand, dass derzeit für Gesellschafter der KNRN Preisabfragen bei Klärschlammentsorgern für die Zeit bis 2025 und darüber hinaus laufen. Es fehlen insgesamt Übersichten zu aktuellen Entsorgungskosten, Angaben zu Mehrkosten für Verzögerungen in Planung und Bau, Kosten aus bestehenden vertraglichen Verpflichtungen der einzelnen Gesellschafter, Kosten der Phosphorrückgewinnung, Kosten der Langzeitlagerung usw.

Ein deutliches Beispiel für die zweifelhafte Objektivität des BUND findet sich auf S. 4 der Einschätzung. Dort heißt es: „Eine „O¨kobilanz“ kann im Rahmen dieser Kurzbeurteilung nicht erwartet werden. Sie ist für das Gesamtvorhaben einschließlich P-Rückgewinnung ohnehin unmöglich, da es noch nicht geplant und daher nicht zu überblicken und zu beurteilen ist.“

Das Gesamtprojekt kann der BUND also nicht überblicken und noch nicht beurteilen, weiß aber, dass es ein „Leuchtturmprojekt“ wird.

Bei dieser Sachlage einen Ratsbeschluss für den Verkauf eines Grundstückes zum Bau einer solchen Monoklärschlammverbrennungsanlage zu fassen, kann mit den Haushaltsgrundsätzen kaum vereinbar sein und ist umweltpoltisch ein Debakel.

Zur Stellungnahme ist Folgendes seitens des BUND anzumerken:

  1. Wir haben die allgemein üblichen Standards eingehalten, indem wir wir zu Beginn unserer Einschätzung dargelegt haben, zu welchem Zweck sie dienen soll, an welcher Stelle im Entscheidungsprozess wir uns derzeit befinden (noch vor dem Planungsverfahren), welche Informationsquellen uns bei der Ausarbeitung der Einschätzung zur Verfügung standen und welche Restriktionen dabei bestanden. Auch auf offene Fragen haben wir hingewiesen und festgestellt, dass die Entscheidung zur Standortvergabe unter Unsicherheit gefällt werden muss. Dennoch steht die Politik vor eben dieser Entscheidungssituation. Wir sind gebeten worden, unsere Einschätzung der nicht einfachen Sachlage abzugeben und hoffen, dass diese hilfreich ist.
  2. Die faktischen und rechtlichen Rahmenbedingungen der zukünftigen Klärschlammverwertung wurden eingangs zutreffend dargestellt. Klärschlamm aus kleineren Kläranlagen unter 50.000 EW kann gemäß der AbfKlärV auch über das Jahr 2032 hinaus landwirtschaftlich verwertet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Klärschlamm die Auflagen des Düngemittelrechts einhalten kann.
  3. Da es sich bei unserer Ausarbeitung um eine Einschätzung aus Umweltsicht handelt, blieben wirtschaftliche Gesichtspunkte außen vor. Diese sind von den Entscheidern noch zu ergänzen. Von einem Umweltverband dürfen und werden sie keine Einschätzung nach Wirtschaftsgrundsätzen oder Haushaltsrecht erwarten. Der Vorwurf, dass eine solche fehlt, trifft uns daher nicht.
  4. Es trifft nicht zu, dass unsere Einschätzung keinen sachgerechten Vergleich zwischen Verbrennung und Pyrolyse liefert. Dazu verweise ich auf die umfangreichen Ausführungen in den Gliederungspunkten 4.2.3.Thermische Verfahren mit integriertem oder anschließendem Phosphorrecycling und 5. Verfahrensvergleich. Dort finden sich auch Aussagen zur CO2 Bilanz der Verfahren.
  5. Nach Abschluss unserer Einschätzung habe ich die Antworten der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer, Uwe Dorendorf, Axel Miesner, Frank Oesterhelweg, Laura Hopmann und Frank Schmädeke (CDU) erhalten. Dort finden sich auch Aussagen zur Pyrolyse. Unter anderem die folgende Antwort auf die Frage 9.
    Kann die Landwirtschaft in Niedersachsen den in Pyrolyse-Reaktoren hergestellten.
    Kohle-Phosphor-Dünger sinnvoll verwenden?
    Die landwirtschaftliche Verwertung von Kohlen aus der Pyrolyse von Klärschlamm ist aus düngemittelrechtlicher Sicht derzeit nicht zulässig. Insofern kann der genannte „Dünger“ nicht verwendet werden. Im Hinblick auf die landwirtschaftliche Verwertung dieser Pyrolyse-Kohlen ist anzumerken, dass die stoffliche Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften der resultierenden Pyrolysekohlen stark von den verwendeten Klärschlämmen sowie den jeweiligen Prozess- und Verfahrensparametern (Temperatur, Verweilzeit etc.) abhängen. So kann es im Rahmen der Pyrolyse zur Bildung von Schadstoffen (wie beispielsweise polyzyklischen aromatische Kohlenwasserstoffe [PAK] oder Dioxine) oder zur Aufkonzentrierung von Schadstoffen (insb. Schwermetallen, PAK, Dioxinen und Furanen) in den kohlenstoffhaltigen Rückständen kommen. Auch wird die Pflanzenverfügbarkeit der in den Pyrolysekohlen enthaltenen Phosphorverbindungen derzeit noch überwiegend kritisch bewertet.
    Dies steht im Kontrast zu den in der Stellungnahme beschriebenen positiven Wirkungen von Karbonisaten in der Landwirtschaft, die ohnehin erst eintreten könnten, wenn Pflanzenkohle in den Boden eingebracht werden dürfte. Klärschlamm ist aufgrund der Vielzahl enthaltener Schadstoffe und des vergleichsweise geringen Organikanteils von 50% kein geeigneter Ausgangsstoff für die Herstellung von Karbonisaten.
  6. Die Verwendung von Pyrolysekohle auf Rekultivierungsflächen, Dämmen oder Lärmschutzwällen entspricht nicht der vom Kreislaufwirtschaftsgesetz angestrebten möglichst hochwertigen Verwertung von Abfällen. Der enthaltene Phosphor wird nicht wieder in den Nährstoffkreislauf zurückgeschleust..
  7. Die Hildesheimer Anlage hat aufgrund der nicht gewinnorientierten kommunalen Trägerschaft und der Standortgunst gute Voraussetzungen als „Leuchtturm“ aus vergleichbaren MKVA herauszuragen. Die Nachbarschaft zur Kläranlage ermöglicht es, die Abwässer (Brüden) aus der Klärschlammtrocknung dort zu verwerten und möglicherweise sogar Stickstoff daraus zurückzugewinnen. Die Lage am Kai und der Hafenbetrieb in Hildesheim ermöglichen eine Logistiklösung mit Bahn und Binnenschiff. Die Bereitschaft dazu haben die Gesellschafter im Kooperationsvertrag dokumentiert. Die Nähe zu Abnehmern und die Größe der MKVA gestattet die sinnvolle Auskopplung von Wärmeenergie sowie die Einspeisung von Strom in das öffentliche Netz. Die Betreiber haben die Absicht bekundet, die Emissionen auf das geringstmögliche Niveau zu senken. Diese Zusage ist im Planungsverfahren einzulösen. Die Phosphorrecyclingquote liegt bei MKVA mit 90% (und möglicherweise mehr) auf einem hohen Niveau.

Wir stehen daher weiter zu unserer wohlbegründeten Einschätzung. Der BUND wird die zukünftigen Planungsschritte, auch als Mitglied im Umweltbeirat der KNRN GmbH, weiter verfolgen. Wir wollen den Austausch und die Diskussion mit allen Beteiligten: Geschäftsführung der KNRN, Gutachter, Bürgerinitiative, Politik fortsetzen oder auch neu beginnen.

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