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Online-Bürgerbeteiligung in Zeiten der Pandemie: Stadtplanung macht gute Erfahrungen

HILDESHEIM. Wie funktioniert Corona gerechte Bürgerbeteiligung bei städtischen Planungen? In den Städtebaufördergebieten Nordstadt und Stadtfeld oder bei der Lärmaktionsplanung hat die Stadt hierzu vielfältige Erfahrungen gesammelt. Eine große Umstellung für alle Beteiligten, denn Planungsprozesse sind mittlerweile breite und kommunikativ hoch aufwendige Prozesse, in denen der Kontakt zu den Menschen in den jeweiligen Quartieren oder Ortsteilen sehr wichtig ist. Der persönliche Kontakt und auch die Transparenz leben von Treffen oder eben auch größeren Veranstaltungen. Gerade im Bereich der Städtebaufördergebiete in der Nordstadt und im Stadtfeld ist ein hohes Maß an Kommunikation mit den Menschen vor Ort etabliert worden, um die Planungsprozesse an den Wünschen und Vorstellungen der Menschen auszurichten.

Während im Sommer 2020 noch einzelne Präsenz-Veranstaltungen angeboten werden konnten, war im November dann mit dem erneuten und immer noch anhaltenden Lockdown Schluss. Von Anfang an war aber klar: Bereits geplante und begonnene Projekte sollten nicht gestoppt oder verschoben, auf die Beteiligung nicht verzichtet werden. „Die Projekte leben davon, dass sie von den Menschen im Stadtteil angenommen werden. Fehlen Beteiligung und Transparenz, entstehen Folgeprobleme, die wir dann im fortgeschrittenen Planungsstadium nicht mehr lösen können“, resümiert Marco Köster (Fachbereich Stadtplanung und -entwicklung).

2020 waren in der Nordstadt und im Stadtfeld zahlreiche Präsenzveranstaltungen geplant. In der Nordstadt betraf das vor allem die Planungen rund um die Multifunktionsfläche (Schulhof) an der Robert-Bosch-Gesamtschule (RBG). Im November sollte die große öffentliche Beteiligung stattfinden. Sie musste schlussendlich abgesagt werden. Für den „Bunten Weg“ (Wegeverlängerung der Justus-Jonas-Straße) sollten sich die Nordstädterinnen und Nordstädter verschiedene Spiel- und Bewegungsgeräte aussuchen. Auch diese Veranstaltung musste abgesagt werden. Eine Lösung für das Dilemma wurde in Online-Tools gesehen, welche die Stadtplanung umfangreich einsetzte.

Für die RBG wurde ein sogenanntes „Online-Padlet“ geschaltet, in dem jede Nordstädterin und jeder Nordstädter seine Vorschläge, Fragen aber auch Sorgen und Ängste äußern und schriftlich wiedergeben konnte. Gleichzeitig konnten die Vorschläge anderer direkt mit Sternen bewertet werden. So entstand eine Priorisierung der Vorschläge. Das Padlet war über den gesamten Januar 2021 online zugänglich und wurde rege von den Bürgerinnen und Bürgern genutzt, mit den Ergebnissen ist die Stadtplanung sehr zufrieden. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger – mehr als erwartet – haben die Chance genutzt, Vorschläge und Wünsche geäußert. „Das Modul hat auch gezeigt, dass Menschen, die ernstzunehmende Sorgen vor den Entwicklungen haben, ebenfalls ein Gehör finden. Als nachteilig kann die fehlende direkte Reaktionsmöglichkeit beschrieben werden. Nur zweimal sind wir moderierend tätig geworden, um klar zu stellen, welche Entwicklungsziele und welche Vorgaben die Stadt grundsätzlich vertritt. Ansonsten fand die Beteiligung in einem angemessenen, freundlichen und toleranten Ton statt“, erklärt Köster.

Ein weiteres Tool, dieses Mal eine „Ein-Klick-Feedback“-Methode, hat die Stadt bei der Gestaltung des „Bunten Weges“ angewendet. Da der Entwurf hier schon in weiten Teilen feststand und in Präsenzveranstaltungen abgestimmt werden konnte, ging es im letzten Beteiligungsschritt vor allem um die Auswahl der Spiel- und Bewegungsgeräte. In einer einfachen Umfrage konnten sich die Nordstädterinnen und Nordstädter einfach durchklicken. „Es hat sich gezeigt, dass diese Form der Beteiligung so niederschwellig ist, dass sie alle erreichen kann“, stellt Frank Auracher fest, der im Auftrag der Stadt Hildesheim das sozialplanerische Quartiersmanagement in der Nordstadt durchführt und die Beteiligung begleitet hat. Diese Form der Umfrage ist sprachunabhängig und war mit insgesamt 112 Teilnehmenden sehr erfolgreich.

Wie sinnvoll die Beteiligung über verschiedene (zum Teil digitale) Kanäle sein kann, zeigte sich auch am Lärmaktionsplan. Auch hier hat die Stadt sich für eine teilweise digitale Beteiligung entschieden. Bürgerinnen und Bürgern konnten zwar weiterhin auch analog Fragebögen ausfüllen und diese auf dem klassischen Postweg der Verwaltung zukommen lassen, ein digitales Ausfüllen war aber ebenfalls möglich. Und das funktionierte sehr gut: Mit insgesamt 676 digitalen Rückmeldungen zur jetzt anstehenden Finalisierung des Lärmaktionsplans kann die Stadt auf ein sehr breites Feedback zurückgreifen.

Insgesamt zeigt sich, dass Online-Beteiligung in Zeiten einer Pandemie durchaus funktionieren und auch zu guten und verwertbaren Ergebnissen führen kann. Die Anzahl an Klicks und Teilnehmenden dokumentiert, dass eine hohe Anzahl an Personen erreicht werden konnte. Die Statistik beim Lärmaktionsplan zeigt darüber hinaus, dass auch ältere Zielgruppen heute digitaler sind, als noch vor einigen Jahren. Mit digitalen Methoden werden nicht nur junge Menschen erreicht. Bei dem RBG-Padlet wurde außerdem deutlich, dass durch nachbarschaftliche Hilfe älteren Nachbarinnen und Nachbarn geholfen werden konnte, in dem das Tool gemeinsam ausgefüllt wurde.

Allerdings tun sich auch Schwächen auf: Durch die fehlende direkte Reaktions- und Feedbackfunktion kann schnell eine Dynamik entstehen, bei der sachlich falsche Informationen außer Kontrolle geraten können. Auch der Effekt, dass anonym im Internet schnell etwas geschrieben ist, was auf keiner sachlichen Grundlage beruht, konnte festgestellt werden.

Insgesamt zieht die Stadtplanung aber ein positives Fazit: „Wir haben das Gefühl, dass wir durchaus sogar mehr Menschen erreichen konnten, als bei einer üblichen Abendveranstaltung“, stellt Marco Köster fest. „Vor allem erreichen wir mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich sonst weniger für Maßnahmen in ihrem Stadtteil engagieren und weniger institutionalisiert sind. Die direkten Nachbarinnen und Nachbarn haben einen deutlich einfacheren Zugang. Auch aus diesem Grund werden wir zukünftig bei einzelnen Vorhaben zweigleisig fahren und Präsenzveranstaltungen mit digitalen Tools verbinden. Online-Tools ersetzen den persönlichen Kontakt nicht, flankieren die Ziele von Beteiligung aber gut und sollten daher stärker berücksichtigt werden.“

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