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Fleisch aus dem Labor – Mikroalgen und Insekten: Was steht auf dem Speiseplan von morgen?

  • Hannover

HANNOVER. Willkommen in der Zukunft: Hochkarätige Referentinnen und Referenten aus der Wissenschaft und aus dem Unternehmertum haben bei der Beraterhochschultagung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) im Hotel Hennies in Isernhagen (Region Hannover) in kurzweiligen Vorträgen einen spannenden Blick auf das Morgen gegeben. Zentrale Frage der ausgebuchten Veranstaltung: Wie kann sich die Landwirtschaft auf neue Herausforderungen einstellen?

„Die Landwirtschaft erneuert sich ständig. Sie lebt von dem Ideenreichtum unserer Landwirtinnen und Landwirte, neue Geschäftsmodelle zu finden. Wie das gelingen kann, zeigt die Beraterhochschultagung“, wie Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in seinem Grußwort hervorhob.

Dr. Achim Spiller, Professor für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ an der Universität Göttingen, fokussierte sich in seinem Vortrag auf den Lebensmittelkonsum im „(Nach-)Corona-Zeitalter“. Obgleich laut Umfragen die Nutzung von Online-Einkaufsmöglichkeiten zugenommen habe, seien die Themen Regionalität, Tierschutz und Nachhaltigkeit wichtiger, das Vertrauen in die Landwirtschaft gestärkt geworden. Außerdem: „Geiz ist nicht mehr geil“, so Spiller. Nicht mehr die „Schnäppchenjäger“ seien im Trend, sondern die „Foodies“. Als Beispiel nannte er die vielen Beiträge auf dem sozialen Netzwerk Instagram, die sich mit den Themen Essen und Ernährung befassen.

Pflanzenbasierte Fleisch- und Molkereiersatzprodukte, so Prof. Dr. Nick Lin-Hi von der Universität Vechta, seien zwar in unterschiedlichsten Varianten im Einzelhandel zu finden und erfreuen sich bei Konsumierenden großer Beliebtheit. Doch seien solche Ersatzprodukte noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. „Mit Fleisch und Milch aus dem Labor stehen bereits die nächsten Innovationen in den Startlöchern. Bei den in-vitro-Produkten handelt es sich nicht mehr um Ersatzprodukte, sondern es sind perfekte Substitute, die genauso schmecken, riechen und aussehen wie konventionell erzeugte Fleisch- und Molkereiprodukte“, so der Wirtschafts- und Ethikexperte.

Die Produkte aus dem Labor kommen laut Lin-Hi mit dem Versprechen einher, den substanziellen ökologischen Fußabdruck von tierischen Produkten deutlich zu reduzieren und können damit einen wichtigen Beitrag für ein nachhaltiges Ernährungssystem liefern. „Gleichzeitig sind die neuen Produkte aufgrund kürzerer Wertschöpfungsketten auf lange Sicht günstiger herzustellen und dürften allein deswegen im preissensiblen Massenmarkt stark auftrumpfen. Für heutige Akteure der Agrar- und Ernährungsindustrie bedeutet dies nichts anderes als die Notwendigkeit, sich bereits jetzt neu zu erfinden und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln“, erläuterte der Uni-Dozent.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen konnten sich die Teilnehmenden zwischen den beiden Schwerpunkten „Indoor- und Outdoor-Geschäftsmodelle“ entscheiden.

Indoor-Geschäftsmodelle

Im Anschluss an das Impulsreferat „Neue Wege in der Indoor Aqua Kultur“ von Hermann Otto-Lübker von Ahrenshorster Edelfisch stellte Cathleen Cordes sich und ihr vor sechs Jahren gegründetes Unternehmen Evergreen-Food mit Sitz in Vechta vor, in dessen Gewächshäusern die Mikroalgen Chlorella und Spirulina kultiviert werden.

„Algen, speziell die Mikroalgen, wurden Jahrzehnte lang aus dem asiatischen Ausland importiert und meist in Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt“, erklärte die studierte Biotechnologin, „denn die Inhaltsstoffe der Chlorella und Spirulina sind sehr interessant.“ Seit einigen Jahren sei die Alge im Lebensmittelbereich immer stärker vertreten. Und so sei die Frage nach der Herkunft immer wichtiger geworden, denn die Algen wachsen im Wasser und benötigen eine gute Wasserqualität sowie eine hohe Kontrolle. „Eine qualitativ hochwertige Alge kann über hiesigen Anbau aus norddeutschen Algenfarmen gewährleistet werden.“

Eine weitere Perspektive in der Landwirtschaft stellte Dr. Nils Th. Grabowski von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover vor: die Insektenzucht. Rund 2,8 Milliarden Menschen weltweit konsumieren Insekten traditionell. „Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, Insekten seien eine Art Notnahrung, die man nur dann konsumiert, wenn es ,sonst nichts‘ gebe“, so Grabowski. Tatsächlich würden Insekten aufgrund ihres Geschmacks verzehrt, die traditionellen Preise für Insekten lägen mindestens im Bereich der konventionellen Fleischsorten oder darüber.

Mit der Erkenntnis, dass Insekten eine der vielen globalen Antworten auf die gegenwärtigen Probleme von Fehlernährung, Klimawandel und mangelnder Nachhaltigkeit sein können, sei die Nachfrage gestiegen, und traditionelle Systeme gelangten an ihre Grenzen, führte Grabowski weiter aus. Daher entwickle sich eine innovative Zucht von Nutzinsekten, die wie bei herkömmlichen Nutztierarten darauf ausgelegt sei, ausgesuchte Insektenarten kontrolliert so zu halten und zu züchten, dass die geernteten Tiere als Lebens- oder Futtermittel verwendet werden könnten. Diese Nutzinsektenzucht sei in einigen Teilen der Welt bereits fortgeschritten, z.B. in Thailand, Südafrika, aber auch in Belgien und v.a. den Niederlanden, und es bestehe kein Grund, dass nicht auch in Deutschland Landwirtinnen und Landwirte mit der Zucht dieser Arten begännen.

Outdoor-Geschäftsmodelle

Nach dem Impulsreferat „Hülsenfruchtprodukte aus heimischem Anbau für den Lebensmittel- sowie den Futtermittelbereich“ von Alexander Rosenow von FAVA-Trading lautete der Titel des Impulsreferats von Ute und Cord Matthies: „Aus Ideen Geschäftsmodelle entwickeln, die zum Standort und Betrieb passen“. Der Standort ihres landwirtschaftlichen Betriebes in der Lüneburger Heide sei gekennzeichnet durch armen, leichten, steinreichen Boden und geringe Niederschläge. Zu Beginn ihres Wirtschaftens stellten sie sich die Frage, wie es möglich wäre, den alten Familienbetrieb bei gegebenen Standorteigenschaften zu erhalten und zukunftsfähig zu machen – insbesondere auch vor dem Hintergrund ihres Bestrebens nach einer nicht zu starken Abhängigkeit von politischen Rahmenbedingungen, den großen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels oder anderen Großhandelskonzernen.

Längst hat sich der Betrieb unter anderem mit der Produktion von Rollrasen und Kartoffeln etabliert, die LWK zeichnete ihn für seine innovative Unternehmenspolitik vor drei Jahren zum „Betrieb Niedersachsen 2018“ aus. Doch auch weiterhin müssen sich Ute und Cord Matthies Herausforderungen wie beispielsweise Natur- und Umweltschutzauflagen oder auch Ärger mit der Nachbarschaft in Bezug auf Geruchs- und Geräuschemissionen stellen. Außerdem sehe sich der Betrieb inzwischen glücklicherweise in der Phase des nächsten Generationenübergangs, berichtete das Unternehmerpaar: So kämen nun auch persönliche Vorlieben und Qualifikationen der Kinder und Schwiegerkinder hinzu, die die Betriebsausrichtung ebenfalls beeinflussen.

Prof. Dr. Wolfgang Link, Pflanzenzüchter am Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Göttingen, stellte die Ackerbohne als traditionelle, einheimische Hülsenfrucht mit Eigentümlichkeiten und Potentialen vor. Zwar hätten die Zuchtunternehmen dieser agrarökologisch sehr wertvollen Pflanze bis vor kurzem kaum Zugang zu wichtigen neuen Techniken und Methoden (Genomische Sequenz; Doppelhaploid- und Hybridzüchtung) gehabt, aber inzwischen gehe es auch für diese Art mit DNA-Chip und Genomischer Selektion innovativ voran. Wie Link berichtete, hat die Ackerbohne aus Berlin und Brüssel politischen Rückenwind; und wenn sie auch ganz überwiegend als proteinreiches Futter eingesetzt werde, so gebe es doch ernstzunehmende Schritte hin zu einem höherwertigen Einsatz in der menschlichen Ernährung.

Vorfreude auf die Beraterhochschultagung 2022

Kammerpräsident Gerhard Schwetje zeigte sich beeindruckt von der Leidenschaft der Unternehmerinnen und Unternehmer für ihre Produkte: „Es wurde deutlich, dass es funktioniert, neue Wege zu gehen, und dass es wichtig ist, offen für Neues zu sein.“ Zudem hob er die hervorragende Vernetzung und den Wissensaustausch zwischen der Beratung und der Wissenschaft hervor, den die Beraterhochschultagung ermöglicht. „Ich freue mich schon jetzt auf die Beraterhochschultagung 2022“, sagte Schwetje.

PR
Fotos: LWK Niedersachsen/Ziegeler

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