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Neue Ideen und ausgefeilte Strategien für eine Landwirtschaft mit Zukunft

BRAUNSCHWEIG. Strikte gesetzliche Vorgaben für die Düngung, immer weniger zugelassene Pflanzenschutzmittel, fehlende Planungssicherheit in der Tierhaltung: Selten waren die Herausforderungen für die landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen so groß wie heute. „Wir stehen vor der gewaltigen Aufgabe, den Spagat zwischen Umweltschutz und Einhaltung der Vorgaben einerseits sowie eine bedarfsgerechte Pflanzenversorgung mit lebenswichtigen Nährstoffen für eine nachhaltige Landwirtschaft andererseits unter einen Hut zu bringen“, sagte Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, am Freitag (21. Februar) vor knapp 200 Besucherinnen und Besuchern der 17. Pflanzenbau-Fachtagung der LWK im Braunschweiger Thünen-Institut.

Zu diesen Aufgaben komme nun die anstehenden Verschärfungen bei der Düngeverordnung hinzu. „Minus 20 Prozent bei der Stickstoff-Düngung ist der wohl bekannteste und gefürchtetste Punkt – wie sich dieser am Ende wirklich auswirken wird, darüber wird zurzeit viel spekuliert“, berichtete Schwetje mit Blick auf die „Roten Gebiete“ mit erhöhten Nitrat-Werten im Grundwasser. „Dabei stellt sich die Frage, ob sich durch diese Maßnahmen wirklich eine Verbesserung der Nitrat-Werte einstellen wird.“

Dr. Stefan Dreesmann, im Landwirtschaftsministerium Leiter des Referats Nährstoffmanagement, Düngung, Agrarumweltpolitik und Ökologischer Landbau, berichtete über den derzeit aktuellen Sachstand der Novelle der Düngeverordnung sowie deren weitere Entwicklung. Die fachlichen Grundlagen zur Ausweisung nitratbelasteter Gebiete nach der Düngeverordnung lieferte Dr. Knut Meyer vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Er legte dar, dass nach dem Rechtsrahmen des Düngerechtes strengere Kriterien gelten als nach Maßgabe des Wasserrechts.

„Demnach gelten Gebiete in Grundwasserkörpern als belastet, wenn eine Grundwassermessstelle einen Schwellenwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter überschreitet oder mehr als 37,5 mg Nitrat/l bei einem steigenden Trend aufweist“, erläuterte Meyer. Inzwischen seien in Niedersachsen nach der Düngeverordnung etwa 39 Prozent der Landesfläche sogenannte „Rote Gebiete“.

Worauf müssen sich Tierhalter angesichts der Veränderungen einstellen, die der Wechsel vom Nährstoffvergleich hin zu einer Aufzeichnungspflicht des Düngebedarfs mit sich bringt? „Die Folgen liegen vor allem in einer geringeren Nährstoffverwertbarkeit auf dem Betrieb, so dass zusätzliche Abgaben von organischen Düngern die Folge sein können“, berichtete Holger Hoffstall, in der LWK-Bezirksstelle Emsland Fachmann für Pflanzenbau und Pflanzenschutz. „Dies schlägt direkt auf das Betriebsergebnis durch, denn eine Abgabe organischer Dünger kostet Geld.“

Die zusätzliche Reduktion des Düngebedarfs von 20 Prozent in den Roten Gebieten verschärfe diese Situation zusätzlich, so Hoffstall weiter. Bei Verzicht auf die Herbstdüngung benötigten die Betriebe ohne Anpassungsmaßnahmen deutlich mehr Lagerraum für Wirtschaftsdünger im Herbst und Winter, der kurzfristig schwer zu bekommen sei, zumal ja viele Betriebe vor ähnlichen Herausforderungen ständen.

Auch Betreiber von Biogasanlagen müssten sich mit neuen Vorschriften zur Nährstoffverwertung auf der Fläche auseinandersetzen, sagte Sebastian Küwen, Fachgruppenleiter Ländliche Entwicklung in der LWK-Bezirksstelle Bremervörde: „Denn sie pflegen enge Beziehungen mit Betrieben, die ihnen Gärreste abnehmen.“ In Roten Gebieten könnte das zur Folge haben, dass die Bereitschaft zur Gärrestaufnahme sinkt oder die Kosten für die Abgabe von Gärresten steigen. „Eine Leistungsreduktion bei der Biogasanlage zur Kompensation höherer Abgabekosten lohnt sich häufig nicht“, hob Küwen hervor.

Wie sich geringere Stickstoff-Mengen bei der Futterproduktion auswirken, könnte sich in naher Zukunft auf den Grünlandflächen Niedersachsens zeigen: „Die vergangenen Trockenjahre, gefolgt von den aktuellen Mäuseschäden, führen uns vor Augen, dass Grundfutter sehr knapp werden kann“, hob Frerich Wilken, bei der LWK Fachmann für Nährstoffeffizienz im Futterbau, hervor. Ziel vieler Betriebe sei es in Zukunft, möglichst wieder Futterreserven anzulegen. „In einem Roten Gebiet wird das schwierig – und das fehlende Grundfutter durch Kraftfutterzukauf zu ersetzen, kann nicht gewollt sein: Jeder zusätzliche Kraftfutteraufwand würde zu einer Erhöhung des Nährstoffimportes in den Betrieb führen“, so Wilken. Gerade unter Grünland seien bei bedarfsgerechter Düngung keine Probleme mit Nitratauswaschung zu befürchten. Versuche zeigten eher gegenteilige Effekte. Wilkens Empfehlung: „Unter den gegebenen Bedingungen ist es sehr wichtig, Wirtschaftsdünger mit Hilfe moderner Technik möglichst verlustarm auszubringen, um den enthaltenen Stickstoff optimal zu nutzen.“

Auch wenn die Minus-20-Prozent-Regel auf viele Ökobetriebe aufgrund des geringen Stickstoffdüngeniveaus nicht zutreffen dürfte, brächten die zusätzlichen Auflagen Veränderungen für die Betriebe mit sich, berichtete Florian Rohlfing, LWK-Berater für ökologischen Pflanzenbau. „Besonders Gemüsebaubetriebe könnten durch ein geringeres erlaubtes Stickstoffniveau Schwierigkeiten bekommen, die vom Handel geforderten Qualitätsparameter zu erreichen.“

Lösungsansätze für den Ökologischen Landbau seien vielschichtig – jeder Betrieb müsse seine eigene Strategie entwickeln und umsetzen, sagte Rohlfing. „Der Fokus sollte noch stärker auf eine möglichst geschlossene Kreislaufwirtschaft gesetzt werden: Dies schließt auch mit ein, dass die Rückführung von Nährstoffen aus dem urbanen Umfeld in Betracht gezogen werden sollte und Lösungen entwickelt werden müssen, diese Nährstoffe auch für den Ökolandbau verfügbar zu machen.“

„Eine Reduktion der Stickstoffdüngung führt zu geringeren Erlösen“: So beschrieb Dr. Christoph Wedde, Berater für Pflanzenbau und Pflanzenschutz in der Bezirksstelle Braunschweig, die möglichen Folgen für Ackerbaubetriebe. Langfristig sei ein insgesamt niedrigeres Ertragsniveau durch die Aushagerung des Bodens zu erwarten. „Weil unterschiedliche Kulturen unterschiedlich stark auf ein geringeres Stickstoff-Angebot reagieren, bieten sich zum Beispiel ein Umbau der Fruchtfolge und die Auswahl ,stickstoff-elastischer‘ Kulturen wie Mais und Zuckerrüben an, die im Vergleich zum Getreide den Stickstoff später und über einen längeren Zeitraum aufnehmen“, empfahl Wedde.

Im Freiland-Gemüsebau müssten Betriebe bei dauerhaft reduzierten Stickstoffmengen nicht nur mit Ertrags-, sondern auch mit Qualitätseinbußen rechnen, bestätigte auch Christine Lessmann, Gemüsebauexpertin der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Daher gelte es, alle Möglichkeiten auszunutzen, die zu einer effizienteren Düngung führen. Dazu zählte Lessmann beispielsweise detaillierte Stickstoffmessungen in jedem bearbeiteten Schlag, die Aufteilung des Düngebedarfs etwa beim Kopfsalat in eine Grund- und in eine Kopfdüngung sowie den Einsatz präziser Düngetechnik, die Fahr- und Erntegassen ausspare. „Bei Versuchen in drei Modellbetrieben sind beim Stickstoffeinsatz Einsparungen zwischen 10 und 35 Prozent möglich gewesen.“

„Wir müssen uns all diesen Herausforderungen stellen und unser ganzes Know-how nutzen, um Strategien zu entwickeln, mit denen wir die Situation verbessern können“, bekräftigte Kammerpräsident Schwetje. „Gleichzeitig müssen wir Landwirte dabei weiter von unseren Betrieben leben können – und sie auch ruhigen Gewissens noch an unsere Söhne und Töchter weitergeben können.“

PR
Fotos: Ehrecke/Landwirtschaftskammer Niedersachsen

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