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Trost ist die Weisheit der Seele

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Corona-Pandemie dauert weiterhin an. Ein strikter Lockdown, Ruhetage – besonders zum Osterfest hätten wir uns anderes gewünscht. Während ich diese Zeilen schreibe, ist noch nicht geklärt, ob Ostergottesdienste in Präsenz stattfinden können.

Nun ist Ostern das Fest des Trostes. In einem der bekanntesten Osterlieder wird gleich in der ersten Strophe daran erinnert: Christ ist erstanden / von der Marter alle. / Des solln wir alle froh sein; / Christ will unser Trost sein. / Kyrieleis.

Kann der Glaube in bedrängenden Zeiten Trost spenden? Trost ist nicht gleich Trost. Es gibt auch falschen Trost, billige Vertröstung. Wahrer Trost leugnet die Wirklichkeit nicht. Aufrichtiger Trost weiß um die Wunde der Seele. Trost will nicht verlagern, sondern lindern. Trost ist nicht laut, sondern eine Haltung der Güte, die Nähe schenkt und die Tränen zulässt.

Immer wieder versuchen Umfragen zu ergründen, was der österliche Glaube für das menschliche Leben „bringt“: Was haben wir davon, wenn wir in der Spur Jesu gehen? Wird das Leben reicher, wenn wir glauben, oder wird das Leben eher leichter und einfacher, wenn wir nicht glauben? Ich traue solchen Umfragen wenig. Der Glaube an Gott begründet sich nicht dadurch, dass er im Vergleich zu anderen Lebenshaltungen einen aufrechenbaren „Mehrwert“ hat. Glaube an Gott lässt sich nicht verzwecken und im Hinblick auf einen Gewinn „messen“. 

Ich meine, dem Glaubenden wird etwas geschenkt: wahren Trost. Der heilige Ignatius von Loyola (1491-1556) hat das in einer bedrängenden Situation für sich erfahren. Ignatius war Soldat und in einer kriegerischen Auseinandersetzung wurde sein Bein zerschmettert. Seine Karriere in der Armee war damit beendet. Nach dieser Verwundung bei Pamplona war er lange an das Krankenlager gefesselt. Da die Zeit nicht verstreichen wollte, suchte er nach einer ablenkenden Lektüre. Er las Ritterromane, wie wir heute vielleicht einen Krimi lesen würden. Aber dann griff er auch zu Heiligenlegenden und anderen geistlichen Schriften. Dabei stellte er ein je unterschiedliches subjektives Empfinden fest: Die Ritterromane lenkten ihn ab, aber er findet darin keine innere Ruhe. Die Geistliche Lektüre hingegen legte eine Zufriedenheit in sein Herz, die auch dann blieb, wenn er nicht mehr las. 

Der Glaube tröstet. Das ist die Erfahrung des heiligen Ignatius. Fortan wird er in seinem geistlichen Leben darauf achten, ob das, was er denkt, tut oder entscheidet, das Herz tröstet. Trost wird zum „Lackmus-Test“ des Glaubens. Dort, wo ich diesen Trost im Herzen erfahre, so Ignatius, bin ich in der Spur Jesu, bin ich in der Gemeinschaft mit dem Gott allen Trostes. 

Die Gemeinschaft mit Gott führt in den Trost. Es ist ein Trost, der sich nicht von der Welt abwendet. Es ist ein Trost, der nicht vertrösten will. Es ist der Trost, der Kraft gibt zum nächsten Schritt.

Diese Erfahrung habe ich bereits als Kind gemacht und sie geht mit mir bis heute nach: Ich hatte eine Schwester, die mit fünf Jahren gestorben ist. Ich war damals eineinhalb Jahre alt. Der Tod ihrer Tochter hat meine Mutter ihr Leben lang geprägt. Die dabei entstandene Wunde in ihrem Herzen wurde nie ganz geheilt. Wenn sie am Grab von Karin stand oder an ihrem Todestag besonders an sie dachte, weinte sie – und das auch noch nach Jahrzehnten. Jeden Abend pflegte meine Mutter mit uns, meinem Bruder und mir, zu beten. Sie setzte sich zu uns ans Bett und betete ein für Kinder einfaches Abendgebet in Versen. Dann beendete sie das Gebet mit uns, indem sie für die Verstorbenen betete und wir wussten, dabei dachte sie besonders an Karin. Sie betete für sie und ich spürte als Kind, welchen Trost sie dabei empfand. Für meine Mutter war klar: Karin lebt bei Gott. Sie war nicht verschwunden. Sie war da. Sie lebte jetzt nur in einer anderen Welt. In der Welt Gottes. Und weil sie bei Gott lebte, lebte sie mit uns. Sie gehörte weiterhin zu unserer Familie.

Das war der große Trost meiner Mutter. Österlicher Trost. Sie ließ in dieser betenden Haltung uns spüren: In der Gemeinschaft mit Gott gehören wir alle zusammen. Und ich habe erfahren, dass durch den Trost dieses Glaubens meine Mutter sich uns zuwandte und für uns da sein konnte. 

Trost ist die Weisheit der Seele. Dieser Trost Gottes wird uns in diesen österlichen Tagen verkündet: „Des solln wir alle froh sein; / Christ will unser Trost sein. / Kyrieleis.“ Wo wir in diesem Trost bleiben, wird das Leben ruhig, gelassen, hoffnungsfroh und mutig. Trost ermutigt, das zu tun, was zu tun uns aufgetragen ist und stark zu sein, das zu lassen und abzuwarten, was wir nicht ändern können. Gott gebe uns immer wieder jenen Trost, der uns hilft, dass wir das eine vom anderen unterscheiden. Ich wünsche Ihnen allen, trotz der bedrängenden Zeiten, ein Trost spendendes Osterfest.

Weihbischof Heinz-Günter Bongartz

Foto:  bph/Hanuschke

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