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Durchwachsene Ernte-Bilanz im dritten trockenen Jahr in Folge

NIEDERSACHSEN. Zu wenig und sehr ungleich verteilter Niederschlag hat den Ackerbau und die Grünlandnutzung in Niedersachsen auch in diesem Jahr wieder stark beeinträchtigt. „Nach 2018 und 2019 ist 2020 das dritte Jahr, in dessen Verlauf zahlreiche Betriebe vor allem im Frühjahr mit ausgeprägter Trockenheit zu kämpfen hatten – entsprechend durchwachsen fällt die Erntebilanz aus“, sagte Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen, am Montag (28. September) auf einer Pressekonferenz der LWK in Hannover.

Neben den Herausforderungen, die der Klimawandel für den Ackerbau mit sich bringt, gewinnt der Naturschutz laut Schwetje zunehmend an Bedeutung: „Viele Betriebe beschäftigen sich immer intensiver mit der Frage, wie sie ihre Arbeitsweise mit dem Natur-, Arten- und Wasserschutz am besten in Einklang bringen können.“ Die LWK begleite diese Entwicklung in zahlreichen Projekten.

Die Ergebnisse der Ernte 2020 fielen bislang je nach Standort und Kultur regional sehr unterschiedlich aus. Beim Getreide ging der Ertrag im Gesamtdurchschnitt im Vergleich zum Vorjahr um 2,5 Prozent zurück. Der Raps konnte nach dem drastischen Rückgang der zurückliegenden Jahre bei Anbaufläche, Ertrag und Marktpreis wieder leicht aufholen.

Die Prognose für den Ertrag der Kartoffelernte ist vielversprechend – doch die Folgen der Corona-Pandemie brachte den Kartoffelmarkt aus dem Gleichgewicht. Die Ertragsaussichten bei den Zuckerrüben sind gut – die Marktpreise sind jedoch relativ niedrig.

Die niedersächsischen Futterbaubetriebe erwarten nach zwei sehr schwierigen Jahren wieder etwas bessere Erträge im Maisanbau sowie auf den Grünlandflächen – doch können viele Höfe ihre Lücken in der Grundfutterversorgung voraussichtlich weiterhin nicht vollständig schließen. (Weitere Details zur Entwicklung der einzelnen Kulturen weiter unten im Text.)

„Die Statistik spricht eine klare Sprache: Es fehlen je nach Standort zwischen 120 und rund 450 Liter Regen pro Quadratmeter“, verdeutlichte Kammerpräsident Schwetje das Ausmaß der Trockenheit in Niedersachsen. „Die Niederschläge reichten vielerorts bestenfalls dafür aus, um den akuten Wasserbedarf der Pflanzen zu decken – eine nachhaltige Durchfeuchtung der Böden bis in tiefere Schichten ist bisher meist ausgeblieben.“

In Regionen mit der Möglichkeit, Felder künstlich zu bewässern, sei es den Bäuerinnen und Bauern häufig gelungen, ihre Erträge zu sichern, berichtete Schwetje weiter. „Doch wer auf leichten Böden ackert, hatte auch dieses Jahr beim Ertrag oft das Nachsehen.“

Angesichts der Folgen der Corona-Pandemie standen vor allem die Obst- und Gemüsebaubetriebe vor völlig neuen Herausforderungen. „Zu Beginn der Pandemie bestand große Unsicherheit – nicht nur in Bezug auf die Vermarktungswege, sondern auch darüber, ob die gepflanzte Ware überhaupt geerntet werden könnte“, berichtete der Kammerpräsident.

Neben den Saisonarbeitskräften aus Osteuropa, die nach einer Entscheidung der Bundesregierung einreisen durften, wurden auf vielen Betrieben auch einheimische Erntehelferinnen eingesetzt, die sich kurzfristig in großer Zahl gemeldet hatten. „Diese hatten zwar nicht die Effizienz und die Erfahrung der Stammbelegschaft – doch haben uns viele Betriebsleiterinnen berichtet, die Kundschaft habe ihrer Arbeit und ihren Produkten eine höhere Wertschätzung entgegengebracht“, so Schwetje.

„Dieses positive Erlebnis der höheren Wertschätzung sollten wir nach dieser schwierigen Situation im Frühjahr in Erinnerung behalten“, hob der Kammerpräsident hervor: „Die einheimischen Helfer*innen, die Menschen in Niedersachsen haben durch diese Erfahrung gesehen, wie viel Qualität und wie viel Arbeit in unseren heimischen Produkten steckt.“

Für die Landwirt*innen in Niedersachsen spielt laut Schwetje auch die Wertschätzung gegenüber der Natur eine wachsende Rolle: „Sie leben von und mit der Natur – egal ob sie ökologisch oder konventionell produzieren.“ Die LWK setze schon seit vielen Jahren Natur- und Wasserschutzprojekte um, um der steigenden Bedeutung des Natur- und Artenschutzes Rechnung zu tragen.

„Am Anfang eines Projekts stehen oft Kontroversen und Schuldzuweisungen – doch im Laufe der Zusammenarbeit stellen die beteiligten Landwirtinnen, Bürgerinnen und Einrichtungen fest, dass sie voneinander lernen und gemeinsam viel für den Naturschutz erreichen können“, berichtete Nora Kretzschmar, bei der LWK Fachreferentin für Naturschutz. Kretzschmar stellte auf der Pressekonferenz als Beispiele die LWK-Aktivitäten beim Wasserschutz im Einzugsgebiet des Dümmer Sees zwischen Osnabrück und Diepholz, beim Kooperationsprojekt Biotopverbund Grasland im Raum Oldenburg und beim Artenvielfalts-Projekt FInAL im Braunschweiger Land vor.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Veränderungen zum Wohle des Naturschutzes am besten funktionieren, wenn sich die betroffenen Landwirtinnen aus freien Stücken an den Planungen beteiligen“, betonte Kretzschmar. „Dass die Projekte von Forschungseinrichtungen wissenschaftlich begleitet werden, ist auch deshalb wichtig, weil die Landwirtinnen wissen möchten, ob das, was sie für den Naturschutz machen, auch funktioniert.“

„Unseren Sachverstand und unsere Überzeugung in Bezug auf Naturschutz und Landwirtschaft haben wir auch in die Verhandlungen mit der Landesregierung zum ,Niedersächsischen Wegʻ erfolgreich eingebracht“, ergänzte Kammerpräsident Schwetje. Diese Vereinbarung zwischen Landesregierung, Landwirtschaft und Naturschutzverbänden zu mehr Naturschutz und Artenvielfalt sowie Ausgleichszahlungen für betroffene Betriebe kommt in mehreren Gesetzesänderungen zum Tragen, zu denen der Niedersächsische Landtag die Beratungen aufgenommen hat.

Ernte 2020 in Niedersachsen: Die Kulturen im Einzelnen

Die Getreideernte 2020 fiel in Niedersachsen nach Ermittlungen des Landesamts für Statistik mit gut 5,3 Millionen Tonnen (ohne Körnermais) um etwa elf Prozent niedriger aus als im Vorjahr. Sie verfehlt damit auch den Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre um gut elf Prozent. Die Anbaufläche fiel um neun Prozent, in erster Linie wegen schwieriger Aussaatbedingungen für das Wintergetreide. Eingeschränkt wurde vor allem der Winterweizenanbau (minus 20 Prozent). Leicht ausgedehnt wurde die Roggenanbaufläche. Der Durchschnittsertrag aller Getreidearten blieb um 2,5 Prozent unter dem Vorjahresergebnis und ebenso unter dem fünfjährigen Mittel. Während die Hektarerträge von Winterweizen und Wintergerste den Vorjahreswert nicht erreichten, fielen die der Sommergerste wesentlich besser aus als 2019. Die Qualität des Getreides ist größtenteils gut. Die bislang erzielten Preise sind gegenüber 2019 leicht gestiegen. Die Preise für Braugerste haben, bedingt durch den Absatzrückgang bei Bier (wegen der Corona-Pandemie fielen und fallen Großveranstaltungen aus), deutlich nachgegeben.

Der Rapsanbau hat sich etwas erholt, nachdem er sich mehrere Jahre in Folge rückläufig entwickelte (2017: 122.000 Hektar, 2019: 72.400 ha, 2020: 76.500 ha). Erträge und der Preis legten spürbar zu. Dennoch bleibt es fraglich, ob der Raps wieder den Anbauumfang früherer Jahre erreichen kann. Seine Wettbewerbsfähigkeit leidet unter erhöhten Produktionskosten, insbesondere infolge des Verbots der Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden, deren Verwendung in einigen anderen EU-Staaten mit Ausnahmegenehmigung bislang weiter erlaubt ist. Nach wie vor ist der Biodeselbereich für den Rapsmarkt wichtig. Sollte die angekündigte starke Beschneidung des Biokraftstoffeinsatzes tatsächlich kommen, wird es der Rapsanbau in Niedersachsen mittelfristig sehr schwer haben.

Nach den zurückliegenden extremen Jahren ist der Kartoffelanbau in diesem Jahr überwiegend normal verlaufen. Trotz der etwas häufigeren Niederschläge musste vielerorts die Qualität durch Beregnung gesichert werden. Insgesamt beträgt die Kartoffelanbaufläche dieses Jahr 123.200 Hektar, das ist ähnlich wie im Vorjahr und entspricht knapp 45 Prozent der deutschen Anbaufläche. Das fünfjährige Mittel der Erntemenge liegt für Niedersachsen bei etwa 4,8 Millionen Tonnen und könnte dieses Jahr wieder erreicht werden. Corona brachte den Kartoffelmarkt deutlich aus dem Gleichgewicht: Die geschlossenen Restaurants und Kantinen, die abgesagten Großveranstaltungen und die weiteren Auswirkungen auf das öffentliche Leben führten dazu, dass der Markt für die Pommes-frites-Produktion nahezu zum Erliegen gekommen ist. Lediglich fest an Verträge gebundene Mengen wurden langsam verarbeitet. Noch heute ist ein deutliches Gefälle zwischen Angebot und Nachfrage zu spüren. Auf der anderen Seite wurde der Absatz der Speisekartoffeln durch den vermehrten Verzehr zu Hause und auch durch die Hamsterkäufe angekurbelt.

Die Ernte und Verarbeitung der Zuckerrüben ist gerade erst richtig angelaufen. Nach zwei besonders trockenen Jahren mit unterdurchschnittlichen Zuckerrübenerträgen erwarten die Landwirt*innen für 2020 Erträge, die leicht über dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre (75,5 Tonnen pro Hektar) liegen könnten. Die Zuckergehalte in den ersten Lieferungen belaufen sich auf 17,5 bis 18 Prozent. Die gesamte Anbaufläche von Zuckerrüben bewegt sich dieses Jahr mit 99.581 Hektar knapp zwei Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Rüben, die erst Mitte April gesät wurden, liefen wegen bereits wiedereinsetzender Trockenheit teilweise nur vereinzelt auf, so dass sich hieraus sehr uneinheitliche Bestände entwickelten. Insgesamt war der Sommer 2020 wieder zu trocken, aber es regnete mehr als in den Vorjahren. Für die Rüben im südlichen Niedersachsen kamen diese Niederschläge meist zur rechten Zeit. Die diesjährige Ernte ist bereits die dritte Ernte, die nicht mehr unter den Rahmenbedingungen der EU-Zuckermarktordnung (mit Mindestpreisen und festen Abnahmemengen) vermarktet wird. Bei den Lieferverträgen, die dieses Jahr gelten, werden neben dem reinen Rübenertrag auch hohe Zuckergehalte honoriert. Insgesamt ist das Preisniveau aufgrund des geringen Weltmarktpreises gesunken.

Dieses Jahr wurde aufgrund der nach wie vor sehr angespannten Grundfutterversorgung und der Aussaatschwierigkeiten im vergangenen Herbst der Maisanbau leicht ausgeweitet. Die Maisfläche erreicht mit rund 616.000 Hektar jedoch nicht die Anbaufläche von 2012. Die ersten vorliegenden Ertragszahlen zum Silomais lassen zwar auf insgesamt deutlich bessere Erträge hoffen, aber es wird kaum für durchschnittliche Silomaiserträge reichen. Im Mittel wird mit etwa 10 bis 15 Prozent geringeren Erträgen als angestrebt gerechnet. Gut die Hälfte des Maises, etwa 330.000 ha, werden als Silomais für Milchkühe und für die Bullenmast eingesetzt. Weitere rund 220.000 ha werden in Biogasanlagen zur Gas-, Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Der übrige Mais wird in Jahren mit normalen klimatischen Bedingungen als Körnermais mit Mähdreschern geerntet und vorwiegend in der Geflügel- und Schweinefütterung eingesetzt. In Jahren mit geringen Maiserträgen wird von diesen Beständen jedoch häufig Silomais gemacht, um genügend Futter für die Rinder zu haben.

Betriebe mit Grünland (landesweit 700.000 Hektar) können nach zwei sehr schlechten Ertragsjahren 2020 wieder mit etwas mehr Grassilage planen. Doch auch in diesem Jahr führte ausbleibender Niederschlag in der ersten Jahreshälfte zu erheblichen Ertragseinbußen. Auf durch Feldmäuse befallenen Flächen – 150.000 Hektar – war die Neuansaat zunächst oft erfolglos. Die Grundfutterlücke, die seit 2018 entstanden ist und durch teuren Futterzukauf ausgeglichen werden muss, lässt sich voraussichtlich nur unzureichend schließen.

Die Ernte im Öko-Landbau wird ersten Schätzungen zufolge ähnlich wie im konventionellen Anbau ausfallen. Die Erträge des Öko-Getreides fallen in diesem Jahr überwiegend zufriedenstellend bis erfreulich aus – außer auf leichteren, sandigeren Standorten mit wenig Niederschlag. Die Backqualitäten beim Öko-Weizen und Öko-Dinkel sind überwiegend gut bis zufriedenstellend. EU-Öko-Ware wird in der Vermarktung zunehmend durch deutsche Verbandsware ersetzt. Verbraucher erwarten zunehmend regional erzeugte Ökoprodukte. Der Handel greift dies auf und bezieht bevorzugt regionale Ware. Bei den Öko-Kartoffeln sind gute, aber nicht übermäßige Erträge in Aussicht, die häufig durch Beregnung abgesichert werden mussten. Die Qualitäten fallen wohl vergleichsweise heterogen aus. Gegenwärtig stehen die Erlöse für Öko-Speisekartoffeln unter Druck. Beim Öko-Mais waren die Aussaatbedingungen im Frühjahr gut – nunmehr deuten sich auf Standorten mit guter Wasserversorgung gute Erträge an.

Bei den Öko-Zuckerrüben ist wie in den Vorjahren schon eine extreme Heterogenität der Erträge zu verzeichnen. Der Ertragsdurchschnitt bewegt sich um die 52 Tonnen pro Hektar, allerdings mit einer großen Spannweite. Der Zuckergehalt liegt mit durchschnittlich 16,5 Prozent etwas unter dem Vorjahresniveau. Die Anbaufläche von Öko-Feldgemüse wächst langsam, aber stetig. Die Feldberegnung deckt die Wasserbedürfnisse der Kulturen auch in diesem dritten trockenen Jahr in Folge, kostet aber viel Geld. Möhren und auch Zwiebeln werden von Markt stetig gut nachgefragt und tendieren derzeit fest bei den Erzeugerpreisen. Die Erträge der Öko-Körnerleguminosen wie Ackerbohnen, Körnererbsen und Lupinen sind gegenüber dem Vorjahr im Plus – aber auch hier gab es auf leichteren Standorten regional deutliche Ertragsausfälle.

Der Ökolandbau in Niedersachsen hat in den zurückliegenden vier Jahren um mehr als 60 Prozent zugenommen. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche nahm in dieser Zeit von 72.497 Hektar (31.12.2015) auf 120.675 Hektar (31.12.2019) zu. Von den rund 36.000 landwirtschaftlichen Betrieben in Niedersachsen betreiben 2.115 (5,5 Prozent) Ökolandbau.

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Fotos: Ziegeler/Landwirtschaftskammer Niedersachsen

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