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Neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften gefährdet Rechtsstellung der Staatsanwaltschaften in Deutschland

NIEDERSACHSEN. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einer Entscheidung der Großen Kammer vom 24. November 2020 (C-510/19 – siehe anliegende Pressemitteilung) erneut zur Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften in Europa geäußert. Wenngleich sich die Entscheidung mit Befugnissen der niederländischen Staatsanwaltschaft befasst, hat sie mittelbar auch Auswirkungen auf die Situation in Deutschland. Denn der EuGH hat die Gelegenheit genutzt, festzustellen, dass Staatsanwaltschaften keine „vollstreckende Justizbehörde“ im Rahmen der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls sind, wenn das Gesetz es den Justizministerien erlaubt, sie im Einzelfall anzuweisen.

Mit dieser Entscheidung setzt der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung zu der Frage fort, ob die Staatsanwaltschaften der Mitgliedstaaten unter den Begriff der „Justizbehörde“ fallen. Der EuGH hat entschieden, dass „Justizbehörde“ zwar kein Gericht sein muss, aber eine Institution, die rechtlich wirksam im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Freiheitsrechte des Betroffenen einschränken kann. Der Begriff „Justizbehörde“ erfasst demnach jede Institution, die an der Strafrechtspflege mitwirkt und im Unterschied zu Ministerien oder Polizeibehörden nicht der Exekutive angehört. Eine Staatsanwaltschaft kann nur dann hierunter fallen, wenn sie zumindest im Einzelfall keinen Weisungen der Exekutive unterliegt, was gesetzlich klar geregelt sein muss. Diese Voraussetzungen hatte der EuGH schon im letzten Jahr bei den Staatsanwaltschaften in Deutschland wegen ihrer Abhängigkeit von den Justizministerien verneint.

Die aktuelle Entscheidung des EuGH hat zur Folge, dass auch in Deutschland künftig die Generalstaatsanwaltschaften nicht mehr befugt sind, wie bisher selbst in Fällen einer offensichtlichen Unzulässigkeit und im vereinfachten Verfahren über die Vollstreckung eingehender europäische Haftbefehle zu entscheiden, was zu einer nicht unerheblichen Mehrbelastung von Staatsanwaltschaften und Gerichten führen wird.

Dazu erklären die niedersächsischen Generalstaatsanwälte:

„Um die Handlungsfähigkeit der deutschen Staatsanwaltschaften im europäischen Kontext sicherzustellen, ist die Abschaffung des ministeriellen Weisungsrechts im Einzelfall zumindest für den Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit innerhalb der EU geboten. Die Generalstaatsanwält*innen Deutschlands und der Generalbundesanwalt haben dem Bundesministerium der Justiz dazu einen einvernehmlich gefassten Beschluss vorgelegt (siehe Anlage). Die deutschen Staatsanwaltschaften müssen im Europäischen Rechtsverkehr auf Augenhöhe bleiben und dürfen nicht ins Abseits geraten.“

PR

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